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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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wollen.
    »Manchmal kommen Engel hierher und belagern die eine oder andere Stadt. Kriegsspiele, zu ihrer Unterhaltung. Sie erwarten, dass wir und sogar die Dämonen ihnen einen anständigen Kampf liefern.«
    Die Völkerwanderung in die Stadt verursachte eine Blockade am Eingangstor, sodass die Menschenkette nur langsam hindurchtröpfelte. Am Tor standen mehrere Dämonen Wache, die die Menschen in der Menge mit längeren Versionen jenes Metallspeers anstießen, wie auch ich einen bei mir trug, und sie so durch das Tor hinein- oder hinausleiteten. Ich erkannte, dass diese Dämonen derjenigen, die ich gerettet hatte, sehr ähnlich waren – sehr menschlich, sehr weiß, mit gezackten drachenartigen Flügeln. Von all den Teufeln, die ich bislang in der Hölle gesehen hatte, waren sie die einzigen, die mich an Dorés Illustrationen für Dantes Göttliche Komödie erinnerten – an deren wunderschöne muskulöse Körper, nur ohne die Hörner und Schwänze. Außerdem hatte ich angenommen, die Dämonin, die ich gerettet hatte, sei von ihren Peinigern entblößt worden, aber nun sah ich, dass auch diese vier männlichen Exemplare nackt umherliefen.
    Einer der Dämonen stach einen Mann mit dem scharfen Ende der Lanze in den Hintern. »Beweg dich, du Schwein! Du blockierst den Verkehr!« Er ließ ein bellendes Lachen vernehmen.
    Auch sein Kompagnon lachte, bis er sich mit einem Mal umdrehte – und mich anstarrte. Sein Blick wirkte wachsam, so als erkenne er mich wieder, und scheinbar gefiel ihm nicht, was er sah. Er schob sich durch die Menge auf mich zu.
    »Was?«, wollte sein Freund wissen.
    »Riechst du das nicht, Vetis?«, knurrte er. »Dämonenblut … an dem da!«
    Es war der Speer in meiner Hand, wie mir mit Entsetzen bewusst wurde. Ich wollte ihn von mir werfen, aber es war bereits zu spät. Ich sah, wie die Inderin sich vor mir zwischen zwei Leuten durchquetschte, um sich von mir zu distanzieren. Ich nahm es ihr nicht übel.
    »Warte«, sagte ich und stand wie angewurzelt da, während sich die anderen Seelen unbehaglich an mir vorbeidrängten und den Blick abwandten. »Hör mir zu …«
    Der erste Dämon, der mich erreichte, riss mir den Eisenstab aus der Hand und hielt ihn sich unter die Nase. Der andere, der Vetis hieß, kam zu uns herüber, packte mich an den Haaren und schob mir die blutige Spitze seines Speers unter die Nase. Ich stöhnte auf, als sie mir die Haut aufriss.
    »Es ist weibliches Blut«, grunzte der Erste. »Es ist Charas Blut!«
    »Das muss einer von denen sein, die sie angegriffen haben … die sie verletzt haben«, knurrte Vetis. Ich spürte, wie die Spitze der Lanze meine Haut durchbohrte und Blut in einem dünnen Rinnsal meine Kehle hinunterfloss.
    »Chara«, gurgelte ich verzweifelt. »Ist das die, die man an einen Baum genagelt hat?«
    »Ah, dann gibst du es also zu!«
    »Nein – ich bin der, der sie befreit hat! Ich habe diesen Stab aus ihrem Bauch gezogen!«
    »Chara hat nichts davon erzählt, dass irgendein Wurm sie befreit hätte.«
    »Hat sie nicht? Hat sie denn nicht erzählt, wie sie freigekommen ist? Das war ich … ich habe ihr geholfen! Fragt sie doch!«
    »Wir werden dich zu ihr bringen, du Wurm. Und wenn sie dich als einen ihrer Vergewaltiger identifiziert, dann wirst du leiden, wie noch nie zuvor in der Geschichte der Hölle eine Seele gelitten hat.«
    »Dann bringt mich zu ihr … bitte!«
    Und so bekam ich meine ganz persönliche Eskorte durch das Tor von Oblivion.

Vierzigster Tag
    Ich habe die Nacht in dieser Zelle mit niedriger Decke und steinernen Mörtelwänden verbracht und, glaube ich zumindest, sogar ein paar Stunden auf dem Betonboden geschlafen. Nachdem sie mich auf Waffen durchsucht hatten, erlaubten meine Fänger mir, meinen Organbeutel mit diesem Buch und meinen Ersatzklamotten aus Caldera zu behalten. So hatte ich wenigstens die Möglichkeit, meine Reise nach und meine Ankunft in Oblivion niederzuschreiben.
    Mein einziger Zellengenosse muss entweder geisteskrank oder in den Wahnsinn getrieben worden sein. Außerdem wurde er schwer verwundet … aber er hat sich – und etwas Vergleichbares habe ich wirklich noch nie gesehen – auf äußerst merkwürdige Weise regeneriert. Eigentlich ist er eher mutiert: Sein Kopf gleicht einer unbeschreiblichen, gequälten Blume aus Fleisch, wobei sein deformierter Schädel von einer Reihe gekräuselter, afterartiger Löcher umringt wird und sein Gehirn in kleinen, trockenen grauen Gewebstropfen aus diesen Öffnungen baumelt.

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