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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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Vielleicht wurde sein Heilungsprozess durch seine Geisteskrankheit ja irgendwie verzerrt. Er sitzt in einer Ecke, drückt seine Knie ganz fest an seine knochige Brust, den Kopf nach hinten gegen die Steinwand gelehnt, und flüstert immerfort eine Reihe von Zahlen, die ebenso gut mathematische Gleichungen wie vollkommen willkürlich sein könnten.
    Es ist überraschend kühl hier drin, was ich als sehr erfrischend empfinde, obwohl man mir – wenig überraschend – weder Essen noch Wasser noch eine Decke gegeben hat. Hinter den verrosteten Gitterstäben meiner Zelle kann ich einen düsteren Korridor erkennen, und hin und wieder höre ich das Echo kreischender Schreie, durchdringendes Geheul oder das Weinen eines Babys widerhallen. Darunter mischt sich das gedämpfte Knarren und Schleifen großer rotierender Zahnräder.
    An der Wand über mir befinden sich, genau wie die Steine in das gemörtelte Mauerwerk eingefügt, zwei Kugeln, die eine gurgelnde, milchig-weiße Flüssigkeit enthalten. Ich habe die Kugeln angefasst, und sie fühlen sich irgendwie fleischig und elastisch an. Die Flüssigkeit leuchtet nicht, sodass mir ihre Funktion zunächst nicht ganz klar war. Sie erinnern mich an eine organische Eigenart Oblivions, die erst wirklich sichtbar wurde, als ich mich innerhalb der Stadtmauern befand: Unter die externen Leitungen, Rohre, Zahnräder und zahlreichen Einzelteile, aus denen die aufwendigen Außenskelette der Gebäude Oblivions bestehen, mischen sich hin und wieder auch gräuliche Kugeln, die aussehen wie riesige blinde Augen oder kranke Organe … an verschiedenen Stellen zweigen Rohrleitungen wie gigantische schwarze Adern in Schlangenlinien von ihnen ab … Zum Teil scheinen sie eher aus verkohlten schwarzen Knochen als aus Metall zu bestehen, auch wenn diese Knochen keiner mir bekannten Kreatur gehören können … aber vielleicht sind sie ja ausdrücklich für diese Zwecke gewachsen.
    Ich frage mich, ob diese Gebäude wohl am Leben sind – wenn auch nur auf sehr primitive Weise. Jedes von ihnen ist vielleicht ein halb empfindsamer Dämon, in dem die Verdammten wie Parasiten leben.
    Ich habe dieses Buch in meinen Schoß gelegt und seinen Ledereinband so lange gestreichelt, bis das schlummernde Auge in seiner Mitte erwachte. Wie schon so viele Male zuvor, redete ich beruhigend darauf ein. Das einsame blaue Auge schien sich auf meinen Mund zu fokussieren, und in dem Moment kam mir endlich der Gedanke, dass es möglicherweise in der Lage war, meine Lippen zu lesen, wenn ich langsam sprach und meine Worte besonders deutlich betonte.
    »Kannst du verstehen, was ich sage?«, fragte ich es. »Wenn ja, dann blinzle zweimal.«
    Das Auge blinzelte nicht. Ich änderte meine Taktik, riss eine Seite aus dem Buch, schrieb einen Satz darauf und hielt sie direkt vor den Einband: »Wenn du das lesen kannst, blinzle zweimal.«
    Das Auge blinzelte zweimal. Mir war klar gewesen, dass das Buch meine Anwesenheit wahrnahm, aber ich hatte nie wirklich einschätzen können, welcher Intellekt sich noch dahinter verbarg. Ich hatte die ganze Zeit über einen stummen Begleiter mit mir herumgetragen. Ich fühlte mich mit einem Mal weniger einsam und schrieb eifrig: »Ich wüsste gern deinen Namen. Ich schreibe dir jetzt das Alphabet auf. Blinzle zweimal, wenn ich den ersten Buchstaben deines Vornamens erreiche, dann beim zweiten Buchstaben usw.«
    Es war ein recht zeitaufwendiges Unterfangen, aber schließlich hatte ich den Namen der Seele buchstabiert, die als Einband dieses Buches gefangen ist und sich deshalb nicht mehr regenerieren kann. Der Gefangene teilte mir mit, sein Name sei Frank Lyre.
    »Was müsst ihr doch für Verbrecher sein, dass sie euch in einem Buch gefangen halten, während wir anderen uns frei bewegen können? Ich schreibe noch mal das Alphabet auf. Blinzle zweimal, wenn wir den Buchstaben des ersten Wortes erreichen, das du sagen möchtest.«
    Die Antwort, die ich so aufwendig dechiffrierte, lautete: »Schriftsteller, die den Schöpfer verärgert haben.«
    »Ich hab mir schon gedacht, dass es etwas in dieser Art sein muss«, schrieb ich dem Auge zurück. »Ich wollte selbst Schriftsteller werden. Romanautor. Aber ich fürchte, ich hatte kein Glück.«
    »Besser so«, bekam ich zur Antwort. »Wärst sonst vielleicht wie ich.«
    »Werden sie dich je wieder freilassen?«, fragte ich.
    »Weiß nicht.«
    »Was würde passieren, wenn ich dein Auge aus diesem Einband holte? Würdest du dich dann regenerieren? Obwohl,

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