Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
Vom Netzwerk:
die finsteren Türme und Spitzen der Schwarzen Kathedrale über den Dächern der niedrigeren Behausungen aufragen. Ich wusste sofort, dass sie es sein musste. Die Türme und Spitzen bewegten sich von links nach rechts voran, wie die Masten und Segel eines Schiffes, die über den Dächern einer alten Hafenstadt emporragen. Selbst von meinem Standpunkt aus war offensichtlich, dass sie komplett aus schwarzem Metall bestanden. Die Kathedrale verschwand jedoch schon bald hinter dem Maschinengebäude, und das Kreischen verstummte. Die wandernde, nomadische Kathedrale, die ich aus Larrys Beschreibungen kannte, hatte einen neuen Platz gefunden, an dem sie sich vorübergehend niederließ.
    Ich hatte Chara seit Tagen nicht mehr gesehen und auch nichts von ihr gehört. Allmählich machte ich mir wirklich Sorgen. Vielleicht hatte sie nur mehr Geduld als ich … vielleicht war sie aber auch bereits gefangen genommen, gefoltert und hingerichtet worden. Die Ungewissheit quälte mich.
    Auch wenn sie deswegen vermutlich vor Wut rasen würde … ich beschloss, mich noch heute zu ihrem Zimmer unter der Brücke aufzumachen und nachzusehen, ob sie sich noch dort aufhielt.
    Die einzige Schwierigkeit dabei war, den Ort wiederzufinden. Ich bog unzählige Male falsch ab, aber da ich schließlich schon einmal alleine von dort nach Hause gegangen war, fand ich den Raum letztendlich doch wieder. Den ganzen Weg über schaute ich immer wieder über meine Schulter zurück, um sicherzugehen, dass mir keiner folgte. Mir fiel niemand Verdächtiges auf, der sich an meine Fersen geheftet hätte.
    Etwas Seltsames begab sich aber dennoch: Einmal begegnete ich einer Gruppe von vielleicht einem Dutzend Dämonen, die allem Anschein nach gerade auf dem Weg zur Erfüllung einer – zweifellos – unschönen Aufgabe waren. Ihr offensichtlicher Anführer trug einen schwarzen Eisenspeer bei sich, und seinen Gürtel schmückte ein Abzeichen, das vermutlich seinen Rang eines Sergeanten oder Ähnliches zeigte. Als wir aneinander vorbeigingen, traf mein Blick den des Sergeanten, und er hielt den Kontakt eine lange Weile aufrecht und drehte sogar leicht den Kopf, um mich nicht aus den Augen zu lassen, bevor wir einander schließlich ganz passiert hatten. Vielleicht wollte er meinen Blick ja nur niederzwingen. Vielleicht beging ich aber auch den Fehler, mich weniger vor anderen Dämonen zu fürchten, weil ich eine intime Beziehung zu einer Dämonin hatte – noch vor Kurzem hätte ich es vermieden, dem Blick eines Teufels zu begegnen. Trotzdem überkam mich das seltsame Gefühl, dass er mich, wie auch immer, erkannt hatte und dass er wusste, wer ich war: der Geliebte ihrer Kameradin, die zu jagen sie gezwungen waren.
    Ich blickte noch ein letztes Mal über meine Schulter und klopfte dann an die Metalltür, die in den Bogenpfeiler der steinernen Brücke eingelassen war. Nach etwa zehn Sekunden, die mein heftig schlagendes Herz mitzählte, klopfte ich erneut, aber etwas energischer. Dieses Mal öffnete sich die Tür mit einem Quietschen, und vor mir stand eine vertraute Gestalt.
    »Oh … nun, ich schätze, ich hätte damit rechnen müssen, Sie hier anzutreffen«, begrüßte mich Inspektor Turner, dessen Lächeln gezwungener wirkte als normalerweise. Er trug sein weißes Gewand, aber nicht seinen Spitzhut. Sein graues Haar war ganz zerzaust, so als habe er ein Nickerchen gehalten. »Kommen Sie doch herein«, lud er mich ein.
    Ich hielt es nicht für nötig, weiterhin Spielchen mit ihm zu spielen. Ich blieb, wo ich war. »Wo ist Chara?«, brachte ich halb erstickt hervor und versuchte, hart zu klingen.
    »Nun, offensichtlich hätten Sie mir das längst verraten können. So musste ich dieses gemütliche kleine Fleckchen durch meine eigenen Kanäle finden. Aber bitte, so kommen Sie doch herein. Ich bestehe darauf.«
    Ich bewegte mich keinen Schritt von der Türschwelle weg. »Ist sie da drinnen oder haben Sie sie schon weggebracht?« In meinem Inneren riss ein endloser Abgrund auf.
    »Leider habe ich sie gar nicht gesehen.«
    »Dann warten Sie darauf, dass sie hierherkommt. Damit sie Ihnen in die Falle geht.«
    »Darauf warte ich zweifellos vergeblich. Ich bin schon seit gestern hier – ich schätze, das bedeutet wohl, dass sie ein anderes Versteck gefunden hat. Nur seltsam, dass sie Ihnen nichts davon erzählt hat.«
    »Vermutlich hat sie die Stadt längst verlassen.«
    »Das haben Sie schon einmal gesagt. Obwohl Sie damals ganz genau wussten, dass sie sich noch in der

Weitere Kostenlose Bücher