Tagebuch der Apokalypse 01
beigebracht hatte, durchs Zielfernrohr und drückte ab. KLICK.
William zuckte hoch und nach rechts, wie seine mentalen Reflexe es ihm vorschrieben. Dann schaute er verwirrt zu mir hinüber. Ich erläuterte, was ich getan hatte -und warum. Im Verlauf der nächsten Minuten nahm ich die Waffe und lud sie, um ihn weiterhin zu prüfen, beiläufig mit einer Kugel. Bald verriss er die Waffe überhaupt nicht mehr. Sein erster Abschuss war ein direkter Treffer, der durch ein Auge ins Gehirn der glücklichen Leiche eindrang und es zerstörte, als die Kugel in ihrem verwesenden Schädel eine Runde drehte.
Dann lud ich das Magazin mit zehn Schuss und wies William an, in die Vollen zu gehen und die mobilsten Untoten zuerst zu töten. Bald lagen fast zwanzig leblose Leichname am Uferrand. Insgesamt hatte uns die kleine Schießlektion zwanzig Schuss gekostet. Wir verfügten noch immer über 800 Schuss vom Kaliber .22.
Wir lockten so gut wie jede Leiche im Umkreis von fünfzehn Kilometern an unseren Standort. Egal, besser hier als am Schwimmsteg. Ich holte den Anker ein und fuhr die Küste entlang, um sie noch weiter von unserem Quartier wegzulocken. Fünf Minuten später wendete ich und entfernte mich von der Insel, um das Geräusch unserer Rückkehr zu dämpfen. In einer bestimmten Distanz schaltete ich den Motor ab, und wir paddelten zu unserer Festung zurück. Jetzt, da William an Selbstvertrauen gewonnen hat, fällt es mir wesentlich leichter, ihn für Ausflüge einzuspannen.
9. März
20.47 Uhr
Gestern und heute waren äußerst interessante Tage. Ich habe in Sachen Menschlichkeit in letzter Zeit so viel versäumt, dass ich kaum noch wusste, wie sie sich anfühlt. Nach dem Ehekrach, den John und ich heute miterlebt haben, weiß ich, dass auch diese Krankheit die menschliche Natur weder vernichten kann noch wird. Da es kein Fernsehprogramm mehr gibt und schöne Spaziergänge durch die Stadt nicht angeraten sind, bildete dies über den größten Teil des Morgens hinweg meine Unterhaltung.
Sie hatten sich nicht wegen meiner nostalgischen Gefühle in der Wolle, sondern wegen der ihren. Es war der präapokalyptische Charakter des Streits, der mich rührte. Es handelte sich um eine einfache Auseinandersetzung über Wäsche und Hausarbeit und wer sie, bevor es so weit gekommen war, früher immer hatte erledigen müssen. Es war wunderschön, einem normalen Gespräch zu lauschen, statt zu bereden, was wir tun mussten, um zu verhindern, dass irgendein Untoter uns den Arsch abbiss.
Laura will »wie ihre Freunde in der Schule« draußen spielen. Ich habe ihr mit meinem begrenzten »Kleine Menschen«- Wissen zu erklären versucht, dass es momentan wenig Spaß macht, draußen zu spielen, weil die Leute dort nicht lieb sind. Sie hat mich angeschaut, die Augen verdreht und gesagt: »Mach mir nichts vor. Ich weiß, dass sie tot sind.« Die Offenheit der Kleinen hat mich umgehauen. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu lachen.
Ich fragte mich, von welchem Elternteil sie das hatte. Mit dem Messer habe ich ein Schachbrett in den Tisch im Schwimmstegsalon gekratzt. Aus dem Souvenirgeschäft hatte ich einen Stapel Angelköder mitgehen lassen, die John und ich nun als Schachfiguren verwendeten. Bis jetzt steht es drei zu zwei für mich.
Ich habe das komische Gefühl, dass William und Janet ihren blöden Knatsch nicht fortsetzen, denn hinter dem Privatsphären- Vorhang, den ich vor ein paar Tagen aufgehängt habe, sind keine lauten Worte mehr zu hören.
Feindliche Aktivitäten: Gelegentliche Bewegungen. Gestern, bei Vollmond, sind sie zu Hunderten aufmarschiert. Ich habe sie mit dem Nachtsichtgerät beobachtet. Sie scheinen aktiver zu werden. Ob es am Vollmond liegt? Das bezweifle ich.
Ich habe den Grishams meine letzten Ohrstöpsel geschenkt. Es hat Laura fasziniert, dass sie wieder ihre alte Form annehmen, nachdem man sie zusammengedrückt hat. John hat seine Stöpsel noch in der Tasche.
Da ich nun keine mehr habe, nehme ich zwei 9mm-Patronen aus einer Munitionsschachtel und stecke sie mir in die Ohren. Sie passen gut und haben das Gestöhn der Toten in der letzten Nacht gut gedämpft.
10. März
12.22 Uhr
Der Rundfunksender ist verstummt. Für einen kurzen Moment habe ich am anderen Ende eine menschliche Stimme gehört. Das Wort, das ich aufschnappen konnte, klang wie »befestigen«. Dann wurde das Mikrofon ausgeschaltet. John und ich spielten gerade eine Partie Schach, als es passierte. Jetzt kriege ich John nicht mehr vom
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