Tagebuch der Apokalypse 02
Küchenzeile. Als ich wieder in der Ecke stand, in die ich mich abgeseilt hatte, hörte ich ein Knarren. Ich hielt inne. Es wiederholte sich. Meine Hauptfurcht war, es könne aus dem Keller kommen. Ich ging zur verrammelten Haustür, um einen Blick ins Freie zu werfen. Ich wollte sicher sein, dass sie mir im Notfall einen Fluchtweg bot.
Als mein Auge auf der Höhe des Gucklochs war, sah ich den Umriss eines Untoten.
Einen Moment lang war ich fürchterlich entsetzt. Ich stierte ihn einfach nur an und konnte den Blick nicht abwenden. Die skelettartige Fratze hinter der Tür war keine dreißig Zentimeter weit entfernt. Ich hätte am liebsten durch das Guckloch auf das Ding geschossen, aber dann hätte ich es vielleicht verfehlt und meine Lage durch den Lärm, den splitterndes Holz verursacht, nur verkompliziert. Ich konnte den Blick nicht von dieser wandelnden Katastrophe abwenden. Das Gesicht war verwest, die milchigen Augen traten hervor, die Lippen waren nicht mehr vorhanden. Das Ding schien mich durch die Tür anzustarren.
In der ganzen Zeit, in der ich es beobachtete, bewegte es sich nicht um einen Millimeter. Ich schätzte seine Größe auf etwa einsachtzig. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und versuchte den Gegenstand zu erkennen, den es in einer verwesenden Hand hielt. Ich konnte nicht genau ausmachen, was es war. Ich verharrte an der Tür und blinzelte nur hin und wieder, damit meine Augäpfel nicht austrockneten. Das Ding rührte sich nicht vom Fleck.
Meine Möglichkeiten waren begrenzt ...
Ich konnte mich entweder am Laken entlang wieder nach oben hangeln und die Sache vergessen oder mir das Ding auf der Stelle ein- für allemal vom Hals schaffen. Ich beschloss, leise weiter im Haus nach Dingen zu suchen, die mir nützlich sein konnten, und dann wieder nach oben zu gehen. Ich huschte mit der Lautlosigkeit einer Katze in die Küche zurück, um den Küchenschrank zu filzen. Als ich die Türschwelle überquerte, verursachte ich ein leises Knarzen. Ich blieb mehrere Minuten lang stehen und lauschte ... Knarz ... Knarz ... Es kam von der Haustür. Ich tat die Bedrohung ab, stellte mir vor, dass das Ding den Kopf schief legte und zu erkennen versuchte, ob es das Geräusch selbst erzeugt hatte oder ein leckerer Bissen, der sich hinter der Tür befand ...
Ich schaute mir die Regalbretter an und fand sechs Dosen fleischloses Chili, zwei Dosen mit Gemüse und Rindfleisch und verschiedene andere Gerichte in fortgeschrittenen Stadien der Fäulnis. Ich schob die Dosen in meinen Rucksack und schaute unter dem Spülbecken nach, ob dort noch etwas Nützliches lag. Da stand eine alte Rattenfalle von jener Art, von der ich mir bereits zwei Exemplare unter den Nagel gerissen hatte. Sie enthielt nichts als die knochigen Überreste und den Schrumpelschwanz einer vor Unzeiten gefoppten Ratte. Zufrieden mit meinem Fund packte ich den Mopstiel mit dem Eispickel, wehrte das unnatürliche Verlangen ab, einen weiteren Blick durch das Guckloch zu werfen, und begab mich über die improvisierte Strickleiter nach oben.
Mit dem Mopstiel hob ich meinen Tornister vorsichtig ins obere Stockwerk, damit ich einfacher nach oben klettern konnte. Er war rammelvoll und zu schwer, weswegen ich leicht eierte, um ihn im Gleichgewicht zu halten. Eine Chili-Dose fiel heraus und knallte auf den Boden. Sie erzeugte einen Laut, der aus einem Artilleriegeschütz hätte kommen können. Ich krümmte mich, als ich den Rucksack ins obere Stockwerk hievte und neben den noch leeren großen Rucksack warf. Als ich mich bückte, um die Konservendose aufzuheben, wurde laut gegen die Haustür geklopft. Das Ding schien mit irgendwas auf die Tür einzuschlagen, denn das Klopfen klang viel härter und lauter als eine bloße Faust. Ich schob die Dose in eine Westentasche und sprang fast ins obere Stockwerk hinauf.
Dort lag ich auf dem Boden, verwendete meinen Tornister als Kissen und schaute an die Decke, während das Ungeheuer mir Zeit verschaffte, indem es auf die Tür einschlug. Es hörte einfach nicht auf ... Ich hörte die Tür splittern und nahm den Spiegel. um sie zu beobachten. Wann immer das Ding auf die Tür einschlug, zuckte ich zusammen. Der Spiegel in meiner Hand wackelte. Ein sehr dünner Lichtstrahl fiel etwa siebzig Zentimeter über der Klinke durch ein Loch in der Tür. Stumpfe Gegenstände können solche Schäden nicht bewirken. Die Tür war an drei Stellen mit Brettern vernagelt, und ich weiß noch, dass dies auch für die Außenseite
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