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Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Titel: Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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Museum bisher verschont geblieben ist. Die Polizei ist nicht existent, die Leute werden sicher wieder auf die Straße gehen. Vielleicht war das eine Rede wie die letzte Rede von Ben Ali in Tunesien, der ja auch zum Schluss noch einmal politische Reformen angekündigt hat, allerdings mit dem Unterschied, dass Ben Ali sich am Ende bei den Leuten für seine Regierungszeit entschuldigt hat, Mubarak hat so getan, als ob er mit dem allem gar nichts zu tun hätte.
    ORF: Ein bisschen unklar war gestern die Rolle des Militärs. Wissen wir inzwischen mehr?
    Karim El-Gawhary: Gestern hat eindeutig die Ablösung stattgefunden: Das Militär kam rein, die Polizei ging raus. Die Polizei ist heute auf den Straßen nicht mehr existent. Vor meinem Büro gibt es eine kleine Polizeiwache, da konnte ich in den frühen Morgenstunden zusehen, wie die Jugendlichen die Polizeistation ausgeplündert haben und die Uniformen ausprobiert haben, wem was passt usw. Wir wissen immer noch nicht genau, wer das Militär wirklich kontrolliert. Offiziell ist es Mubarak als oberster Befehlshaber. Aber wir wissen auch, dass der Stabschef gestern noch in Washington war und jetzt auf dem Weg nach Ägypten ist. Wir erhoffen uns bei seiner Ankunft mehr Antworten.
    ORF Radio, Mittagsjournal Ö1, 29.1.2011, 12:00
    ORF: In dieser ganzen verworrenen Situation ist ja eine der entscheidenden Fragen, wie sich das Militär weiter verhalten wird. Gibt es bereits eine Klärung der Befehlsgewalt?
    Karim El-Gawhary: Nein, bisher nicht. Wir müssen heute darauf achten, wie sich das Militär gegenüber den Demonstranten verhält. Bis jetzt gibt es immer noch viele Verbrüderungsszenen. Heute Morgen waren die Militärs so eine Art „Sehenswürdigkeit“. Die Menschen kamen und haben sich vor den Panzern fotografieren lassen, haben die Soldaten umarmt, es war eine sehr entspannte Atmosphäre mit den Soldaten. Die große Frage ist: Wenn es heute zu großen Demonstrationen kommt, schreitet das Militär ein oder nicht? Ich habe mich vorhin mit einem Major unterhalten, der vor seinem Panzer stand, und er sagte, sie hätten bis jetzt keinen Befehl, gegen die Demonstranten einzuschreiten, das Militär sichere lediglich strategische Punkte wie das Fernsehgebäude etwa oder den Suezkanal. Wenn das so bleibt, ist das ein Zeichen dafür, dass das Militär Mubarak fallengelassen hat. Wenn das Militär heute gegen die Demonstranten einschreitet, dann würde das natürlich heißen, dass das Militär Mubarak noch als obersten Befehlshaber anerkennt.
    ORF, ZIB 13, 29.1.2011, 13:00
    ORF: In der Früh haben wir schon einmal miteinander gesprochen, inzwischen sind ein paar Stunden vergangen, in der Früh war die Situation noch ruhig, wie sieht es jetzt bei Ihnen aus?
    Karim El-Gawhary: Jetzt fangen die Demonstrationen überall an. Für heute Nachmittag um drei ist die große Demonstration angekündigt, das war heute die erste Nachricht, die ich per SMS bekommen habe, als die Handyleitungen wieder funktionierten. Niemand nimmt die Rede von Mubarak ernst. Die Leute sind schon längst wieder auf der Straße und sagen: „Wir wollen den Sturz Mubaraks.“
    ORF: Jetzt kommt eine ganz entscheidende Rolle dem Militär zu. Es stellt sich also die Frage, steht das Militär weiterhin hinter dem Regime Mubarak, oder beginnt die Loyalität zu bröckeln? Wie ist denn da Ihre Einschätzung?
    Karim El-Gawhary: Ich komme gerade von einer solchen Militärkette, die das Fernsehgebäude vor den Demonstranten absperrt. Es herrscht eine ganz tolle Stimmung zwischen den beiden, die Demonstranten reden mit den Soldaten, den Offizieren, und die Offiziere antworten. Die Leute haben gesagt, „Passt auf, wir dürfen die Armee nicht provozieren, lasst uns lieber ein bisschen weiter nach hinten gehen“, und der Offizier hat den Leuten geantwortet: „Wenn ihr jetzt ein bisschen weiter von dem Fernsehgebäude weggeht, dann küsse ich euch die Hände.“ Das ist heute eine ganz andere Atmosphäre als gestern mit der Polizei, die die Leute nur verprügelt und Tränengas geworfen hat.
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    30.1.2011
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    DiePresse.com, 30.1.2011
    Die Angst der Demonstranten vor dem Verrat der Armee
    Mit der Regierungsumbildung wollen sich die Protestierenden nicht zufriedengeben. Sie buhlen um die Gunst der Armee. Doch deren Verhalten bleibt unberechenbar.
    Kairo. Armeeaufmarsch im Urlaubsort: Am Sonntag rückten Panzer des ägyptischen Militärs in die beliebte Touristenregion Scharm El-Scheich am Roten Meer vor. Die

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