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Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Titel: Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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der Stadt Suez haben sie ein Gebäude der Regierungspartei angezündet. Auch in der Innenstadt in Kairo sind sie zu dieser Stunde am Demonstrieren. Das Regime Mubarak wird weiter angezählt.
    Derweil wird allerorten diskutiert, wie es weitergehen soll. Vielleicht sollte man einen Tag lang ein wenig aussetzen und sich dann voll auf die Freitagsgebete konzentrieren, heißt in den Blogs und auf Facebook, jenen Instrumenten, mit denen sich die Jugendlichen austauschen und ihre nächsten Aktionen planen. Via Internet werden Listen verteilt, wo nach dem Freitagsgebet demonstriert werden sollte.
    Und damit kein falscher Eindruck entsteht, es finden sich dort sowohl bekannte Moscheen als auch Kirchen. Zumindest die jugendliche Facebook-Generation zeigt sich als Muslime und Kopten vereint gegen das verhasste Regime, das sich jahrelang immer als kleineres Übel zu den Islamisten, nicht nur in der Welt, sondern auch zu Hause und vor den heimischen Christen, darzustellen wusste.
    Diskutiert wird auch die Rückkehr des ehemaligen Chefs der Atomenergiebehörde und Friedensnobelpreisträgers Mohammed El-Baradei. Kann er eine führende Rolle in der Revolte einnehmen? Viele Jugendliche haben auf den Demonstrationen immer wieder abgewunken. „Das ist nur ein Facebook- und Twitter-Oppositionsführer“, lautet die gängige Antwort auf die Frage, was sie von ihm halten. Immer wenn es darauf ankomme, sei er nicht da, sagen sie. Aber es ist unklar, ob er mit seiner Rückkehr das Ruder doch noch einmal herumreißen kann.
    Mubarak schickt seine rechte Hand, den Sprecher des Schura-Rats, Safwat Scharif, an die Front. Der formt dann Sätze wie: „Die Forderungen der Menschen stehen natürlich auf der Prioritätenliste der Regierungspartei ganz oben.“ Oder dass alle, die mit ihren eigenen Hintergedanken die Jugend aufwiegeln, nur irgendwelchen Befehlen aus dem Ausland folgten. Richtig ernst nimmt das niemand mehr.
    Die Regierungsmedien arbeiten hart daran, die Demonstranten zu diskreditieren. Mal sind sie von den Islamisten gesteuert, mal sind sie nur auf das Stiften von Chaos aus. Wie es die Regierungszeitung Al-Gumhuriya in einen denkwürdigen Satz fasst: „Demokratie bedeutet nicht, den Verkehr zu blockieren.“
    Arabesken, tazblog 27.1.2011
    Kairo ist ruhig, die Suezkanal-Zone brennt und alles wartet auf morgen

    In den Städten Suez und Ismailia gab es heute den ganzen Tag schwere Auseinandersetzungen. Einer der Kameramänner, mit denen wir zusammenarbeiten, ist heute nach Suez gefahren und verprügelt worden. Seine Kamera liegt auf der Polizeistation. Wir dürfen nicht vergessen: Diese Szenen spielen sich in unmittelbarer Nachbarschaft eines der wichtigsten internationalen Schiffswege statt.
    In Kairo gibt es derzeit kein anderes Gesprächsthema als die morgigen Demonstrationen nach dem Freitagsgebet, die übrigens nicht nur von den Moscheen, sondern zur gleichen Zeit auch von einigen Kirchen starten sollen.
    Ich war gerade in einem Elektronik-Fachgeschäft und die vier jungen Verkäufer erzählten mir, dass sie alle bei den letzten Demonstrationen dabei waren. „Wir werden so lange weitermachen, bis er geht“, sagten sie.
    Einer erzählte die Geschichte, dass er gestern fast verhaftet worden wäre. Aber ein Polizeioffizier hat die Gruppe schließlich in eine kleine Nebengasse geführt und nur gesagt, „Haut einfach ab“. Eine schöne Anekdote über die Frage, wie sehr sich das Regime auf seinen Polizeiapparat verlassen kann, wenn die Proteste noch einige Tage andauern. Ich bin sicher, dass einige Polizeioffiziere schon jetzt ihre Rechnung für die Post-Mubarak-Zeit aufstellen.
    Mohammed El-Baradei ist inzwischen aus Wien in Kairo angekommen. Am Flughafen wurde er vor allem von Journalisten belagert. Die Ägypter gaben ihm keinen Heldenempfang. Ich habe immer wieder von den Jugendlichen auf den Demonstrationen der letzten Tag gehört, dass sie es ihm übelnehmen, dass er nie zu den entscheidenden Momenten im Land ist. Aber vielleicht ändert sich diese Dynamik morgen, wenn El-Baradei an einem vielleicht entscheidenden Tag an den Demonstrationen teilnimmt.
    Tweets auf Twitter
    27. Januar 2011, 08:33 Offiziell wurden gestern 500, inoffiziell über 1000 verhaftet. Aus Platzmangel werden sie in Lagern der Bereitschaftspolizei festgehalten.
    27. Januar 2011, 11:48 Staatsanwaltschaft in Abbasiya in Kairo hat 200 der gestern Verhafteten ohne Anklage entlassen. Ein gutes Zeichen.
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    28.1.2011
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    DiePresse.com,

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