Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)
machte eine Gruppe superreicher Geschäftsleute im Schatten des Regimes oder besser gesagt von Mubarak protegiert ihre Geschäfte, darunter auch seine beiden Söhne Gamal und Alaa. Zahlreich sind die Witze über die Korruption rund um Mubarak, wie beispielsweise der folgende: Alaa wird zur Mercedes-Vertretung in Kairo eingeladen. „Für nur zwei Euro können sich Eure Exzellenz eine Luxuslimousine aussuchen“, bietet der Mercedes-Verkäufer seine Bestechungsgabe an. Der Präsidentensohn zückt einen 10-Euro-Schein. „Ich habe aber kein Wechselgeld“, entschuldigt sich der Mercedesvertreter. „Macht nichts“, entgegnet Alaa, „dann nehme ich gleich fünf Fahrzeuge.“
Mubarak ist zeit seines politischen Lebens auf dem Reformohr taub geblieben. Er wusste wie alle arabischen Regime nur zu gut: Ernsthafte Reformen bedeuten in letzter Konsequenz, sich selbst wegzureformieren. Es gab in den letzten 50 Jahren keinen einzigen arabischen Führer, der abgewählt wurde. Veränderungen waren entweder biologischer Natur und wurden mit dem Tod des Staatsoberhaupts eingeleitet, mit einem Militärputsch oder mit einer ausländischen Intervention. Das war vor der neuen tunesischen Zeitrechnung. Nach dem Diktator Ben Ali ist Mubarak nun das zweite Opfer eines neuen arabischen Selbstbewusstseins. Im Zentrum Kairos, am Platz der Befreiung, hat der Pharao seine letzte Schlacht geschlagen – und verloren.
ORF, ZIB 2, 11.2.2011, 22:00, 2. Schaltung
ORF: Und wir schalten jetzt noch einmal nach Kairo zu unserem Korrespondenten. Herr El-Gawhary, es ist sehr ungewöhnlich, Korrespondenten nach ihren Gefühlen zu fragen, aber ich möchte heute eine Ausnahme machen und das doch tun, weil ich sicher bin, dass unsere Zuschauer nicht nur Verständnis dafür haben, sondern auch großes Interesse daran. Sie leben seit vielen Jahren in Ägypten, Sie haben seit Wochen diese Proteste begleitet, wie geht es Ihnen heute ganz persönlich?
Karim El-Gawhary: Ja, blendend geht’s mir natürlich. Wie Mohammed El-Baradei gesagt hat: „Heute ist der schönste Tag seines Lebens.“ Ich glaube, es geht heute wirklich allen Ägyptern so, dass es der schönste Tag ihres Lebens ist, oder einer der schönsten Tage ihres Lebens. In den letzten Wochen gab es ja wirklich immer heiße und kalte Duschen. Wir hatten auch als Journalisten sehr große Probleme, es ist gerade mal eine Woche her, da mussten wir vor Mubaraks Schlägern davonlaufen, die hier auf der Straße neben uns davongezogen sind. Es war keine leichte Zeit, andererseits: Mir war relativ schnell klar, wie diese Sache ausgehen wird. Als ich gehört habe, dass meine 75-jährige ägyptische Tante jetzt auch auf den Tahrir-Platz ziehen wird, da habe ich mir gedacht, nun ist es um Mubarak geschehen. Für mich sind diese Leute hier unten auf der Straße meine persönlichen Helden. Das sind diejenigen, die den Tahrir-Platz die ganzen letzten Wochen verteidigt haben, gegen die Schläger von Mubarak, gegen alle möglichen politischen Interventionen. Sie sind hartnäckig geblieben, sie haben sich nicht einschüchtern lassen. Ich glaube, heute können alle hier stolz darauf sein, Ägypter zu sein.
Die Tage danach
Auf Facebook gepostet
12. Februar 2011, 13:46 Ein kleiner Junge fegt vor meinem Büro die Straße mit seinen Händen. In seiner hinteren Hosentasche steckt eine ägyptische Fahne. Das Problem ist: Die Niluferstraße ist schon total sauber. Es waren Hunderte vor ihm da.
12. Februar 2011, 16:33 Ich stand eben auf Straße mit Tränen in den Augen. Menschen haben Farbe mitgebracht, streichen die Bordsteine an. Sie setzen Pflanzen und gießen sie und kehren die Straße. Was für ein mächtiges Symbol, wie sie ihr Land übernehmen!
taz.de, 14.2.2011
„Das ist jetzt mein Land“
In Kairo räumen die Demonstranten den Tahrir-Platz auf. Es herrscht Aufbruchsstimmung. Die Armee will in sechs Monaten Neuwahlen abhalten.
Kairo. Eine Gruppe Jugendlicher kehrt die Straße. An ihrer Markenkleidung ist zu erkennen, dass sie aus besserem Hause stammen. Manche wirken etwas unbeholfen in dieser staubigen Atmosphäre. Geübt im Straßenfegen sind sie sicher nicht. Sie singen: „Wir machen Schluss, wir räumen auf.“ Angesprochen auf die Zweideutigkeit, ob sie damit den Müll oder die Diktatur meinen, lachen sie. Sie arbeiten in Teams. Einer schwingt den von zu Hause mitgebrachten Besen, der andere hat eine Kehrschaufel und einen schwarzen Müllsack dabei.
Sehr ungewöhnliche Teams sind darunter. Wie etwa
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