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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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Fähre später zog sie ihren Koffer die Promenade entlang und bestaunte die Reihe von Norfolktannen, die sich plötzlich wie riesige Weihnachtsbäume vor ihr auftaten, den elfenbeinfarbenen Sandstreifen, die indigoblauen Wellen, an denen die Surfanfänger mit ihren Brettern scheiterten.
    Während ich Margot zu der Wohnung dirigierte, erhielten meine Flügel eine Botschaft. Sie erreichte mich heftiger als je zuvor, es war ein durch meinen Körper zirkulierender Strom, und in diesem Strom sah ich Bilder von Margot: mit langen blonden Haaren, durch irgendwelche Felder spazierend, an einem See vorbei, auf eine durch die Hügellandschaft führende Straße zu. Ich sah mich um und kramte in meinem Gedächtnis, um herauszufinden, wo diese Landschaft sich wohl befand. Vergebens. Keiner der Stadtteile Sydneys, die ich kannte, kam infrage. Und dann fiel mir auf: Die Frau, die ich da gesehen hatte, war gar nicht Margot. Das war ich.
    Beobachten. Beschützen. Aufzeichnen. Lieben. Es hatte über dreißig Jahre gedauert, bis ich wirklich begriff, dass das Wort »verändern« bei diesen Anweisungen nicht vorkam und »beeinflussen« und »kontrollieren« auch nicht. Während Margot also durch die Straßen von Manly schlenderte, vollkommen übermüdet und überwältigt von der Schönheit dieses Ortes, von den für sie neuen Ladenfronten und Straßenecken, sang ich diese vier Wörter wie ein Mantra immer wieder vor mich hin. Ich widerstand der Versuchung, sie zu jener tollen Wohnung hinzulenken – die mit dem großen offenen Wohnzimmer, dem über den Strand hinausragenden Balkon, dem Himmelbett, der Kupferbadewanne, dem Couchtisch mit integriertem tropischen Aquarium –, und sah unbeteiligt dabei zu, wie sie im Hier und Jetzt herumtapste, als sei das nicht alles schon einmal passiert. Als würde das alles wirklich erst in diesem Moment passieren.
    Und da ging mir wohl auf, dass ich mich Margot den Großteil der letzten fünfzehn Jahre wie eine Mutter zugewandt hatte, die nicht mehr weiß, wie man sich auf Weihnachten freut, wie es sich anfühlt, mit fünf, sechs oder sieben Jahren in ein Spielzeuggeschäft zu gehen, oder warum der Besuch von Disneyland und Co. nun mal nicht unter eintausend Dezibel zu machen war. Das Privileg, in der Gegenwart zu leben, bestand darin, dass es unendlich viele Möglichkeiten bot, sich für etwas zu begeistern oder sich überraschen zu lassen. Aber das hatte ich vollkommen übersehen. Und das Ergebnis war, dass ich Margot mit genau dem gleichen mangelnden Verständnis behandelt hatte wie sie Theo. Ich hatte sie ohne jede Nachsicht behandelt.
    Also versuchte ich eine ganz neue Strategie: Ich ließ sie stolpern, ich ließ sie sogar fallen, und wenn sie zu tief fiel, half ich ihr wieder auf die Beine. Zum Beispiel, als ihre Aufregung und Euphorie am ersten Tag in Australien nachließen und umschlugen in ein Gefühl der Einsamkeit. Sie hatte sich ein Hotelzimmer an der Promenade genommen und kämpfte zwanzig Minuten lang damit, sich an der Minibar zu vergreifen. Tu ’ s nicht , warnte ich sie. Sie zögerte, dann schwang sie die Beine vom Bett und öffnete die Bartür. Lass es besser bleiben, sagte ich. Du bist Alkoholikerin. Und sie stellte drei Flaschen Baileys sowie einen Gin Tonic nebeneinander auf, bevor sie einen Blick auf ihre zitternden Hände warf und ganz von alleine dachte: Vielleicht sollte ich besser aufhören.
    Und als ich mich gerade erinnerte, entwarf sie bereits einen Schlachtplan. Sie wollte sich Ziele setzen. Ich war noch nie besonders gut darin, Listen zu erstellen, bei mir klappt das besser mit Visualisierungen. Also setzte sie sich mit einem Haufen Zeitungen und Zeitschriften auf den Boden des Hotelzimmers, verteilte den Papierkram um sich herum und fing an, Bilder auszuschneiden, die wiedergaben, was sie sich vom Leben wünschte. Und während sie so Bilder von einem Reihenhaus mit Vorgarten, Hauskatzen, einem extra breiten Gasherd, einer Taube und Harrison Ford ausschnippelte, rauschten mir fast identische Bilder durch den Kopf. Ich beobachtete sie und grinste, als sie das Bild von Harrison Ford zerschnitt, bis nur noch seine Augen übrig waren, dann die Mundpartie und Nase von Ralph Fiennes ausschnitt und schließlich ein rothaariges männliches Model skalpierte. Sie fügte die Teile zu einer Collage zusammen und erhielt ein Porträt von Toby.
    Dann

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