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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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über Ulster aufging, schlief Kyle schließlich über den Schreibtisch gebeugt ein.

    Lou, Kate und Karina kamen aus Dublin zurück. Nein, sie kamen nicht einfach nur zurück: Sie platzten kreischend durch die Küchentür ins Haus, beladen mit jeder Menge vollgestopfter Koffer, und riefen nach Kyle.
    Margot rührte sich. Kyle saß neben ihrem Bett und las weitere Artikel über die Echokardiografie von Dr. Wolmar. Als Margot aufwachte, wurde ihr ein Stethoskop auf die nackte Brust gedrückt. Schnell sah sie zu Kyle, dann zu mir. Ich beruhigte sie: Alles in Ordnung. Sie ließ den Kopf zurück aufs Kissen sinken und gähnte. Die Rufe von unten veranlassten Kyle, das Stethoskop wegzupacken.
    Â»So, Margot«, sagte er leise. »Dann sei jetzt mal schön brav und warte hier, während ich mit meiner Frau und meinen Töchtern rede. Die wissen nämlich noch gar nicht, dass du hier bist.«
    Margot nickte und rollte sich auf der Seite zusammen. Sie schnitt mir eine Grimasse, und ich tat es ihr nach. Aber als sie das nächste Mal zu mir blickte, konnte sie mich nicht sehen. Sie dachte, ich sei weg.
    Ich folgte Kyle die Treppe hinunter. Karina und Lou redeten gleichzeitig auf ihn ein und erzählten minutiös von ihrem Urlaub. Kate saß am Küchentisch und inspizierte ihre Fingernägel. Kyle hob die Hände und bat Karina und Lou, still zu sein.
    Â»Was ist denn, Daddy?«, fragte Karina ärgerlich.
    Kyle zeigte nach oben. »Wir haben ein kleines Mädchen oben im Gästezimmer.«
    Lou und Karina sahen einander entgeistert an.
    Â»Wir haben was?«
    Â»Würdest du das bitte sofort erklären, Kyle?«
    Er ließ die Hände sinken. »Ich werde es erklären, aber nicht sofort. Das Kind ist krank und wahrscheinlich vollkommen eingeschüchtert von dem Lärm, den ihr hier veranstaltet. Ich möchte, dass ihr ganz leise mit nach oben kommt und es begrüßt.«
    Â»Aber …«
    Er sah Lou über seine Brille hinweg scharf an, worauf seine Frau den rot geschminkten Mund hielt. Ich schmunzelte. Das muss ja eine Wonne gewesen sein, die letzten zwanzig Jahre mit ihr zusammengelebt zu haben. Dafür hatte Kyle sich wirklich einen Orden verdient. Oder eine Gummizelle, da war ich mir nicht ganz sicher.
    Wortlos trottete Kate hinter den anderen her zu Margots Zimmer. Die sie umgebenden Farben verwirrten mich. Manchmal sandte ihr Herz pulsierendes pinkfarbenes Licht aus, das dann plötzlich blutrot wurde und nicht mehr pulsierte, sondern aus ihr herausrann. Selbst der Rhythmus veränderte sich: Statt lebendig wie Herzschlag zu pulsieren – und das tun die meisten Auren, sie fließen und pulsieren wie Herzschlag –, bewegte sich diese Farbe so lethargisch und zäh wie Lava. Manchmal hielt es an ihrem Hals inne und sah aus, als würde es brennen. Und mir ging auf, dass es hinter dieser Fassade eines seelenruhigen Mauerblümchens brodelte. Sie unterdrückte und überspielte eine kolossale Wut. Ich wusste nur nicht, worauf.
    Und das war mir zunächst auch herzlich egal. Aber dann bemerkte ich ihr Outfit. Als ich ihr die Treppe hinauffolgte, fiel mir auf, dass sie sich mit allen möglichen satanischen Emblemen schmückte. Sie trug ein schwarzes T-Shirt mit einem roten, gehörnten Teufel auf dem Rücken und Teufel-Ohrstecker. Außerdem hatte sie – und ich glaube nicht, dass ihre Eltern sich darüber im Klaren waren – auf dem rechten Schulterblatt eine zehn Zentimeter große Tätowierung in Form eines auf dem Kopf stehenden Kreuzes.
    Auf halbem Weg nach oben blieb sie stehen. Lou, Kyle und Karina gingen ohne sie weiter. Sie drehte sich um und sah mich direkt an. Ihre Augen waren abwasserbraun. Und kalt.
    Â»Verschwinde«, sagte sie nur.
    Redet sie mit mir?, dachte ich. Und dann sah ich es, genau wie bei Kyle – Kates Gefühlshülle war mit mir verbunden. Allerdings glich ihr Strang einer dunklen Tentakel und war nicht nur mit mir verbunden, sondern auch mit einer anderen Seite. Einer Seite, die ich noch nicht kennengelernt hatte.
    Ich war völlig perplex. Ich sah mich um, und als ich begriff, dass sie tatsächlich mich meinte, dass sie mich also sehen konnte, sammelte ich mich wieder. »Tut mir leid, aber dazu wirst du mich schon zwingen müssen«, erwiderte ich.
    Â»Okay.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber das wird dir ganz bestimmt nicht gefallen.«
    Sie wandte sich

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