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Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht

Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht

Titel: Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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ihr Herz schneller schlagen ließ, aber aus einem ganz anderen Gefühl als Nervosität. Das nachtschwarze Haar - ihre Finger brannten geradezu darauf, in seinen Locken zu wühlen. Der geschmeidige, durchtrainierte Körper, diese langen, langen Beine... und die Stimme. Es war seine Stimme gewesen, bei deren Klang sie sich gestern entschlossen hatte, daß sie ihn um jeden Preis haben mußte. Sie war kühl und distanziert gewesen, als er mit Mr. Tanner gesprochen hatte, doch gleichzeitig merkwürdig unwiderstehlich. Elena fragte sich, ob sie auch ganz zärtlich und dunkel werden konnte, und wie es wohl klang, wenn diese Stimme ihren Namen sagen, ihn flüstern würde...
    „Elena!“ Elena schreckte aus ihren Träumen hoch. Aber es war nicht Stefan Salvatore, der da nach ihr rief, sondern Tante Judith, die gerade geräuschvoll die Eingangstür öffnete. „Elena!
    Elena?“ Das war Margaret. Ihr Stimmchen war hoch und schrill.
    „Bist du zu Hause?“ Sofort überfiel Elena wieder Trübsal. Sie sah sich im Wohnzimmer um. Im Moment konnte sie weder Tante Judiths besorgte Fragen ertragen noch Margarets unschuldige Fröhlichkeit. Nicht, wenn ihre Wimpern noch naß waren und jeden Augenblick neue Tränen drohten. Sie traf eine blitzschnelle Entscheidung und verschwand leise durch die Hintertür, als vorne die Eingangstür zuschlug. Draußen zögerte sie. Sie wollte niemandem begegnen. Doch wo konnte sie allein hingehen? Die Antwort kam ihr sofort. Natürlich. Sie würde Mom und Dad besuchen. Es war ein langer Weg, der fast an den Rand der Stadt führte, aber in den letzten drei Jahren war er für Elena zur Gewohnheit geworden. Sie überquerte die Wickery-Brücke, stieg den Hügel hoch, vorbei an der Ruine einer Kirche und dann hinab in das kleine Tal. Dieser neue Teil des Friedhofs war gepflegt. Es war der alte Teil, den man ein wenig verwildern ließ. Hier war das Gras geschnitten, und Blumensträuße sorgten für bunte Farbtupfer. Elena setzte sich neben einen großen Grabstein aus Marmor, in den der Name
    „Gilbert“ eingeritzt war. „Hallo, Mom. Hallo, Dad“, flüsterte sie.
    Sie lehnte sich nach vorn und legte einen Strauß aus Wildblumen nieder, die sie auf dem Weg gepflückt hatte. Dann blieb sie mit übereinandergeschlagenen Beinen einfach sitzen.
    Seit dem Unfall war sie oft hierher gekommen. Margaret war damals erst ein Jahr alt gewesen, sie konnte sich kaum an die Eltern erinnern. Aber Elena wohl. Die vielen Erinnerungen, die auf sie einstürmten, ließen den Knoten in ihrer Kehle anschwellen, und die Tränen kamen leichter. Sie vermißte die beiden schrecklich. Mom, so jung und schön, und Dad, mit seinem unwiderstehlichen Lächeln. Natürlich konnte sie von Glück reden, daß sie Tante Judith hatten. Nicht jede Tante gab einen gutbezahlten Job auf, um in eine kleine Stadt zu ziehen und sich um zwei verwaiste Nichten zu kümmern. Und Robert, Tante Judiths Verlobter, war mehr ein Stiefvater für Margaret als ein zukünftiger angeheirateter Onkel. Aber Elena fehlten die Eltern trotzdem schrecklich. Kurz nach der Beerdigung war sie manchmal auf den Friedhof gekommen und hatte sie beschimpft, weil sie so dumm gewesen waren, sich töten zu lassen. Damals hatte sie Tante Judith noch nicht so gut gekannt und das Gefühl gehabt, nirgendwo auf der Welt hinzugehören. Und wohin gehöre ich jetzt? fragte sie sich. Die einfachste Antwort lautete: hierher nach Fell's Church, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hatte. Aber seit kurzem schien die einfache Antwort falsch zu sein. Sie spürte, daß es da draußen noch etwas anderes für sie geben mußte, einen Platz, den sie sofort erkennen und aus vollem Herzen „zu Hause“ nennen würde. Ein Schatten fiel auf sie, und sie sah erstaunt hoch.
    Einen Moment lang kamen ihr die beiden Gestalten, die dort standen, fremd und leicht bedrohlich vor. Wie erstarrt blickte Elena sie an. „Elena“, sagte die kleinere von beiden, die Hände in die Hüften gestemmt. „Manchmal mache ich mir echte Sorgen um dich. Das kannst du mir glauben.“ Elena blinzelte und lachte erleichtert auf. Es waren Bonnie und Meredith. „Was kann man tun, wenn man hier mal ein bißchen für sich sein will?“ fragte sie, als die beiden sich setzten. „Uns einfach sagen, daß wir abhauen sollen“, schlug Meredith vor, aber Elena zuckte nur mit den Schultern. Meredith und Bonnie waren in den Monaten seit dem Unfall oft hergekommen, um sie zu suchen. Plötzlich war sie froh darüber und den beiden dankbar.

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