Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
Meredith ihr Bonnies pinkfarbene Stola um die Schultern legte.
„Nein... Dick“, stieß Vickie hervor. Das Reden schien ihr Schmerzen zu bereiten. „Wir waren in der Kirche... Es war schrecklich. Es kam... wie Nebel. Schwarzer Nebel. Und Augen.
Ich sah seine Augen in der Dunkelheit glühen. So heiß. Sie haben mich verbrannt...“ „Sie phantasiert“, erklärte Bonnie nüchtern. „Völlig hysterisch. Oder wie man's sonst nennen will.“
Matt sprach ganz langsam und deutlich. „Vickie, bitte sag uns nur eins. Wo ist Elena? Was ist mit ihr geschehen?“ „Ich weiß es nicht. Ehrlich.“ Vickie hob ihr tränenbeschmiertes Gesicht.
„Dick und ich waren allein. Wir haben... dann war es plötzlich überall um uns herum. Ich konnte nicht fortlaufen. Elena hat behauptet, das Grab hätte sich geöffnet. Vielleicht ist es dorther gekommen. Es war entsetzlich...“ „Sie waren auf dem Friedhof in der Kirchenruine“, übersetzte Meredith das Gestammel. „Und Elena war bei ihnen. Schaut euch das mal an.“ Im Deckenlicht des Autos konnten sie die frischen, tiefen Kratzer erkennen, die von Vickies Hals hinunter bis zu ihrem Spitzen-BH liefen. „Das sieht aus wie von einem Tier“, meinte Bonnie. „Wie die Krallen einer Katze, zum Beispiel.“ „Es war keine Katze, die sich den Alten unter der Brücke vorgeknöpft hat“, sagte Matt. Sein Gesicht war bleich und angespannt.
Meredith folgte seinem Blick die Straße hinunter und schüttelte den Kopf. „Matt, wir müssen zuerst zurück. Das ist unsere Pflicht“, erklärte sie eindringlich. „Hör auf mich. Ich mach mir genauso große Sorgen um Elena wie du. Aber Vickie braucht einen Arzt, und wir müssen die Polizei verständigen. Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen zurück.“ Matt starrte noch einen langen Moment die dunkle Straße entlang, dann atmete er seufzend aus. Er schlug die Wagentür heftig zu, ließ ruckartig den Motor an und wendete. Auf dem ganzen Weg in die Stadt stammelte Vickie stöhnend etwas von glühenden Augen.
Elena spürte Stefans Lippen auf ihren. Und... es war so einfach.
Alle Fragen waren beantwortet, alle Ängste beschwichtigt und alle Zweifel beseitigt. Was sie fühlte, war nicht nur Leidenschaft, sondern auch überwältigende Zärtlichkeit und eine Liebe, die so stark war, daß sie davon bis ins Mark erschüttert wurde. Das Ausmaß ihrer Gefühle hätte ihr Angst einjagen können. Aber während sie bei ihm war, fürchtete sie sich vor nichts. Sie war nach Hause gekommen. Hier gehörte sie hin, und endlich hatte sie es gefunden. Ihr Platz war an Stefans Seite. Er zog sich ein wenig zurück, und sie fühlte, wie er zitterte. „Oh, Elena“, flüsterte er gegen ihre Lippen. „Wir können nicht...“ „Es ist bereits geschehen“, antwortete sie leise und zog ihn wieder an sich. Es war fast so, daß sie seine Gedanken hören, seine Gefühle spüren konnte. Eine Welle von Lust und Begehren trug sie davon, band sie fester aneinander.
Doch Elena erkannte auch, was ihn noch bewegte. Er wollte sie für immer festhalten, sie vor allem Bösen beschützen. Er wollte sein Leben mit ihrem verbinden. Sie fühlte den sanften Druck seiner Lippen auf ihren, und was er in ihr auslöste, war so süß, daß sie es kaum ertragen konnte. Ja, dachte sie. Stefans Liebe hüllte sie ein, erwärmte sie und erhellte jede dunkle Ecke ihrer Seele wie die Sonne. Sie zitterte vor Liebe und vor Verlangen.
Er hob langsam den Kopf, als könnte er es nicht ertragen, von ihr getrennt zu sein. Sie sahen sich an mit Blicken, in denen sich kindliche Verwunderung mit grenzenloser Freude mischte. Worte waren unnötig. Er strich ihr so sanft übers Haar, als hätte er Angst, sie könnte unter seinen Händen zerbrechen. Elena wußte jetzt, daß es nicht Haß gewesen war, weswegen er sie so lange gemieden hatte. Nein, Haß war es nicht gewesen. Elena hatte keine Ahnung, wieviel Zeit vergangen war, bis sie wieder leise die Treppen der Pension hinunterstiegen. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre sie begeistert gewesen, in Stefans schwarzen Sportwagen einsteigen zu können. Aber heute nacht achtete sie kaum darauf. Stefan hielt ihre Hand, während sie durch die verlassenen Straßen fuhren.
Das erste, was Elena sah, als sie sich ihrem Haus näherten, waren die Lichter. „Die Polizei ist da.“ Ihre Stimme gehorchte ihr nicht gleich. Es war merkwürdig, nach so langem Schweigen wieder zu sprechen. „Und Roberts Auto steht in der Einfahrt. Matts auch“, fügte sie hinzu.
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