Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
Was kann so schlimm sein? „Ich hasse dich nicht.“ Er betonte jedes Wort sorgfältig. „Ich habe dich niemals gehaßt.
Aber du... erinnerst mich an jemanden.“ Elena war total überrascht. Was immer sie auch erwartet hatte, das war es nicht gewesen. „Ich erinnere dich an jemanden, den du kennst?“ „Den ich gekannt habe“, antwortete er leise. „Aber“, fügte er so langsam hinzu, als müßte er sich erst selbst über etwas klar werden, „du bist eigentlich nicht wie sie. Vom Aussehen her schon, aber sie war zart, zerbrechlich. Und sehr verletzlich, innerlich wie äußerlich.“ „Und ich bin das nicht?“ Er gab ein Geräusch von sich, das wie ein Lachen klang. Nur lag keine Spur Humor darin. „Nein. Du bist eine Kämpferin. Du bist ganz... du selbst.“ Elena schwieg einen Moment. Den Schmerz in seinem Gesicht sehend, konnte sie nicht länger zornig sein.
„Du hast ihr sehr nahe gestanden?“ „Ja.“ „Was ist passiert?“ Es entstand eine Pause, so lang, daß Elena fürchtete, er würde ihr nicht antworten. Schließlich sagte er: „Sie starb.“ Elena atmete hörbar aus.. Auch der letzte Rest Wut war jetzt verschwunden.
„Das muß ja schrecklich für dich gewesen sein“, sagte sie leise und dachte an den weißen Grabstein ihrer Eltern. „Es tut mir leid.“ Er schwieg. Sein Gesicht war wieder verschlossen. Er schien in weite Ferne zu blicken und dort etwas zu sehen.
Etwas Schreckliches und Herzzerreißendes, was nur für ihn allein bestimmt war. Aber es lag nicht nur Trauer in seinem Blick. Hinter all den Mauern, hinter seiner mühsam aufrecht gehaltenen Selbstbeherrschung spürte Elena die Schuldgefühle und die Einsamkeit. Stefans Blick war so verloren und gehetzt, daß sie zu ihm ging, bevor sie wußte, was sie da tat. „Stefan“, flüsterte sie. Versunken in seinen eigenen Schmerz, schien er sie nicht zu hören. Elena legte unwillkürlich ihre Hand auf seinen Arm. „Stefan, ich weiß, wie weh das tun kann...“ „Nichts weißt du!“ explodierte er. Seine ganze Beherrschtheit verwandelte sich in puren Zorn. Er blickte auf Elenas Hand, als habe er gerade erst gemerkt, daß sie gewagt hatte, ihn anzufassen. Die Pupillen seiner grünen Augen waren unnatürlich erweitert, als er ihren Griff abschüttelte und gleichzeitig den Arm hob, um zu verhindern, daß sie ihn wieder berührte... Doch irgendwie hielt er plötzlich statt dessen ihre Hand. Seine Finger waren so fest um ihre geschlungen, als wollte er sie nie mehr loslassen. Er schaute verwundert auf ihre miteinander verbundenen Hände.
Langsam wanderte sein Blick zu Elenas Gesicht. „Elena...“
flüsterte er. In seinen Augen las sie, daß er nicht länger kämpfen konnte. Sein Widerstand war gebrochen, die Mauern fielen zusammen, und sie sah, was sich dahinter befand. Und dann beugte er wie hilflos den Kopf, um ihre Lippen zu berühren.
„Warte mal hier“, sagte Bonnie. „Ich glaube, ich hab was gesehen.“
Matts verbeulter Ford fuhr langsamer und näherte sich der Straßenseite, wo sich dichtes Gebüsch befand. Etwas Weißes schimmerte durch und kam auf sie zu. „Oh, nein. Es ist Vickie Bennett“, rief Meredith. Das Mädchen stolperte ins Scheinwerferlicht und blieb schwankend stehen, während Matt scharf bremste. Vickies hellbraunes Haar war völlig durcheinander, und ihre Augen blickten glasig aus einem Gesicht, das schmutzbeschmiert war. Sie trug nur noch ihre dünne weiße Unterwäsche.
„Schafft sie ins Auto“, befahl Matt. Meredith öffnete bereits die Tür. Sie sprang hinaus und lief auf das benommene Mädchen zu. „Vickie bist du okay? Was ist mit dir geschehen?“ Vickie stöhnte und starrte geradeaus. Dann plötzlich schien sie Meredith zu erkennen und klammerte sich an sie. Ihre Fingernägel gruben sich in Merediths Arme.
„Schnell weg hier.“ Ihre Stimme klang fremd und belegt, als hätte sie etwas im Mund. „Ihr alle, schnell weg hier. Es kommt!“ „Was kommt, Vickie? Wo ist Elena?“ „Wir müssen fort...“ Meredith blickte die Straße entlang und führte das zitternde Mädchen zurück zum Auto. „Wir werden dich von hier fortbringen“, versuchte sie Vickie zu beruhigen. „Aber du mußt uns erzählen, was passiert ist. Bonnie, gib mir deinen Schal. Sie ist total durchgefroren.“
„Und verletzt“, fügte Matt grimmig hinzu. „Außerdem hat sie einen Schock. Die Frage ist, wo sind die anderen? Vickie, war Elena bei dir?“ Vickie schluchzte und verbarg das Gesicht in den Händen, während
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