Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
Durchschnitt.
Elena atmete hörbar aus. „Wer ist dieser maskierte Fremde?“
fragte Meredith. Die Bemerkung war zutreffend. Eine dunkle Sonnenbrille bedeckte die Augen des jungen Mannes und verbarg sein Gesicht wie eine Maske. Ein Gewirr von Stimmen ertönte. „Siehst du die Jacke? Jede Wette, die ist italienisch.
Sicher aus Rom.“ „Was weißt du schon von Rom? Du bist in deinem ganzen Leben nie weiter als bis nach Rome im Staat New York gekommen. “ „Schaut mal. Elena hat wieder dieses Jagdfieber im Blick. Der schöne Fremde sollte sich vorsehen.“
Über das ganze Geplapper erhob sich plötzlich eiskalt Carolines Stimme: „Komm schon, Elena. Du hast doch Matt.
Was willst du mehr? Und was kann man mit zwei Jungs tun, was man nicht mit einem tun kann?“ „Dasselbe... nur länger“, gab Meredith schlagfertig zurück, und alle brachen in Gelächter aus. Der junge Mann hatte seinen Wagen abgeschlossen und ging auf die Schule zu. Beiläufig folgte Elena ihm, die anderen Mädchen blieben ihr dicht auf den Fersen. Ärger stieg in ihr hoch. Konnte sie nirgendwo hingehen, ohne daß die ganze Meute hinterherhechelte? Meredith fing ihren Blick auf, und Elena mußte wider Willen lächeln. „Noblesse oblige“, sagte Meredith leise. „Was?“ „Wenn du die Königin der Schule sein willst, mußt du auch die Konsequenzen tragen.“ Elena runzelte über diese Bemerkung die Stirn, während sie das Gebäude betraten. Ein langer Gang erstreckte sich vor ihnen, und eine Gestalt in Jeans und Lederjacke verschwand durch eine Tür weiter vorn. Elena ging langsamer, als sie auf das Büro zukam.
Schließlich blieb sie stehen, um gedankenvoll die Nachrichten am Schwarzen Brett zu betrachten, das neben der Tür hing. Es gab hier ein großes Fenster, durch das man das ganze Büro sehen konnte. Die anderen Mädchen starrten offen durch die Scheibe und kicherten aufgeregt. „Netter Hintern.“ „Das ist ganz sicher eine Armani-Lederjacke.“ „Glaubst du, der Typ kommt aus Europa? Elena bemühte sich, den Namen des Jungen zu verstehen. Es schien drinnen ein paar Schwierigkeiten zu geben. Mrs. Clarke, die Verwaltungssekretärin, blickte auf eine Liste und schüttelte den Kopf. Der junge Mann sagte etwas, und Mrs. Clarke hob die Hände in einer Geste: „Tut mir leid.“ Sie fuhr mit dem Finger die Liste entlang und schüttelte wieder den Kopf. Der Junge wandte sich ab, drehte sich dann jedoch wieder zu ihr hin. Als Mrs. Clarke hochsah, veränderte sich ihr Ausdruck.
Der junge Mann hatte die Sonnenbrille jetzt in der Hand. Mrs.
Clarke schien von etwas sehr überrascht zu sein. Elena sah, daß sie mehrmals blinzelte. Ihre Lippen öffneten und schlossen sich, als ob sie versuchte, zu sprechen. Elena wünschte sich, mehr sehen zu können als nur den Hinterkopf des jungen Mannes. Mrs. Clarke wühlte in ein paar Papieren.
Sie machte einen benommenen Eindruck. Schließlich fand sie ein Formular, machte einen Vermerk darauf und schob es dem jungen Mann hin. Er kritzelte etwas auf das Papier - vermutlich seine Unterschrift - und gab es ihr zurück. Mrs. Clarke starrte es einen Moment lang an. Dann suchte sie in einem anderen Zettelberg herum und reichte ihm etwas, das wie ein Stundenplan aussah. Ihr Blick war starr auf den Jungen gerichtet, der das Blatt nahm, den Kopf zum Dank neigte und zur Tür ging. Elena brannte inzwischen vor Neugier. Was war da drin passiert? Wie sah das Gesicht des Fremden aus? Als er jedoch aus dem Büro trat, hatte er wieder die Sonnenbrille auf.
Elena war tief enttäuscht. Er blieb kurz in der Tür stehen, und so konnte sie wenigstens den Rest seiner Züge erkennen. Das dunkle, lockige Haar umrahmte ein Gesicht, das von einer alten römischen Münze zu stammen schien... hohe Wangenknochen, eine klassische gerade Nase... und ein Mund, der einem nachts den Schlaf rauben kann, dachte Elena. Seine Oberlippe war sehr sinnlich, doch gleichzeitig verletzlich. Das Geplapper der anderen Mädchen auf dem Flur war so plötzlich verstummt, als hätte jemand einen Schalter betätigt. Die meisten wandten verlegen den Blick von ihm ab und schauten irgendwo in der Gegend herum. Doch Elena hielt die Stellung beim Fenster. Sie warf den Kopf zurück und löste das Band aus ihrem Haar, so daß es ihr verführerisch über die Schultern fiel.
Ohne nach rechts oder links zu schauen, ging der junge Mann den Flur entlang. Sobald er außer Hörweite war, ertönte ein Chor sehnsüchtiger Seufzer. Elena hörte ihn nicht. Er
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