Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
dir und deinem Liebsten alles antun. Du hast ja keine Vorstellung von dem, was ich tun kann, Elena. Aber du wirst es bald erfahren.“ Er trat zurück. Ein schneidender Wind durchfuhr Elena wie ein Messer. Sie konnte kaum noch etwas sehen. Glühende Punkte tanzten vor ihren Augen.
„Der Winter kommt, Elena.“ Damons Stimme war sogar über das Brausen des Windes hell und klar zu hören. „Eine unbarmherzige Jahreszeit. Bevor sie da ist, wirst du lernen, was ich tun kann und was nicht. Bevor der Winter kommt, wirst du mit mir zusammensein. Du wirst mein sein.“
Das wirbelnde Weiß blendete sie. Selbst Damons dunkle Gestalt konnte sie nicht länger erkennen... Jetzt verklang auch seine Stimme. Mit gebeugtem Kopf schlang sie die Arme fest um ihren zitternden Körper. „Stefan“, flüsterte sie. „Oh, und noch etwas.“ Damons Stimme kam zurück. „Du hast vorhin nach meinem Bruder gefragt. Mach dir nicht die Mühe, weiter nach ihm zu suchen, Elena. Ich habe ihn letzte Nacht getötet.“
Ihr Kopf fuhr hoch, aber nichts war zu sehen. Nur dieser schwindelerregende weiße Schleier, der auf ihrer Nase und ihren Wangen brannte und ihre Wimpern verklebte. Erst, als sich die ersten feinen Körnchen auf ihrer Haut niederließen, erkannte Elena, was es war. Schneeflocken.
Es schneite am ersten November. Und die Sonne war vom Himmel verschwunden.
2. KAPITEL
Ein unnatürliches Zwielicht hing über dem verlassenen Friedhof. Und obwohl der Schnee Elenas Sicht trübte und der eiskalte Wind ihre Glieder betäubte, beschloß sie trotzig, nicht über den neuen Friedhof zur Straße zurückzugehen. Soweit sie es beurteilen konnte, mußte die Wickery-Brücke genau vor ihr liegen.
Die Polizei hatte Stefans leeres Auto bei der Old Creek Road gefunden. Das bedeutete, er mußte irgendwo zwischen Drowning Creek und dem Wald ausgestiegen sein. Elena stolperte auf dem von Unkraut überwucherten Pfad des alten Friedhofs. Aber sie gab nicht auf. Mit gesenktem Kopf, die Arme fest um den dünnen Pullover geschlungen, ging sie weiter. Sie kannte den Friedhof schon ihr ganzes Leben lang.
Notfalls konnte sie den Weg blind finden. Als sie die Brücke überquerte, schmerzten die Kälteschauder, die sie überliefen, immer mehr. Es schneite nicht mehr so heftig, aber der Wind war noch schlimmer. Er schnitt durch ihre Kleider, als wären sie aus Papier.
Stefan, dachte sie und bog nach Norden in die Old Creek Road ein. Sie glaubte Damon nicht. Wenn Stefan wirklich tot wäre, würde sie es wissen. Er lebte, und sie mußte ihn finden. Er konnte überall da draußen in dem wirbelnden Weiß stecken; er konnte verletzt sein und halberfroren. Flüchtig fiel Elena auf, daß jede Vernunft sie verlassen hatte. Sie konzentrierte sich nur noch auf einen Gedanken: Stefan. Sie mußte ihn unbedingt finden.
Es wurde immer schwerer, dem Pfad zu folgen. Auf Elenas rechter Seite befanden sich Eichen,
auf der linken die reißenden Wasser von Drowning Creek. Sie schwankte und blieb stehen. Sie
auf der linken die reißenden Wasser von Drowning Creek. Sie schwankte und blieb stehen. Sie mußte sich ausruhen. Nur einen Moment. Als sie neben den Pfad sank, ging ihr plötzlich auf, wie dumm es von ihr gewesen war, Stefan zu suchen. Er würde zu ihr kommen. Sie brauchte nur sitzenzubleiben und zu warten. Wahrscheinlich war er schon auf dem Weg.
Elena schloß die Augen und lehnte den Kopf an die hochgezogenen Knie. Jetzt war ihr schon viel wärmer. Ihre Gedanken schweiften ab, und sie sah Stefan auf sich zukommen. Sah, wie er sie anlächelte. Fühlte seine Umarmung. Jetzt war sie geborgen und sicher. Elena lehnte sich entspannt gegen ihn, froh, alle Angst und Anspannung hinter sich lassen zu können. Sie war zu Hause. Sie war dort, wo sie hingehörte. Stefan würde niemals zulassen, daß ihr ein Leid geschah.
Aber statt sie weiter liebevoll zu halten, schüttelte Stefan sie heftig. Er zerstörte den wunderbaren Frieden, der sie erfüllte.
Sie sah sein Gesicht, blaß und eindringlich. Seine grünen Augen waren dunkel vor Schmerz. Sie versuchte ihm zu erklären, er solle aufhören, aber er wollte ihr nicht zuhören.
„Elena, steh auf“, sagte er, und sie fühlte, wie sein Blick sie zwang, es zu tun. „Elena, steh bitte jetzt auf...“
„Elena, steh auf!“ Die Stimme war hoch, dünn und voller Angst.
„Komm schon, Elena! Steh auf! Wir können dich nicht tragen!“
Zwinkernd erkannte Elena ein Gesicht. Es war klein und herzförmig mit weißer Haut, und wurde
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