Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
mitbekommen, wie meine Eltern über ihre Familie geredet haben - kein Wunder, daß sie sie nie erwähnt.“ Bonnie hob den Kopf. „Was soll das denn heißen?“
Meredith hatte sich nicht bewegt. Elena konnte in dem gedämpften Licht nur ihren Hals und ihr Kinn sehen. Aber Meredith' Stimme war ruhig und gefaßt. „Ist egal. Such weiter, Bonnie. Wir brauchen Informationen über Elenas Tagebuch.“
„Versuch's um den achtzehnten Oktober rum. Da ist es gestohlen worden.“ Elena stellte alle anderen Fragen erst einmal zurück. Sie würde später mit Meredith darüber sprechen.
Es stand weder etwas unter dem achtzehnten Oktober noch unter dem Wochenende danach. In den folgenden Wochen gab es überhaupt nur wenig Eintragungen, und keine erwähnte Elenas Tagebuch.
„Nun, das war's dann wohl.“ Meredith setzte sich zurück. „Das Buch ist wertlos. Es sei denn, wir wollen sie damit erpressen.
Ihr wißt schon, gibst du mir meins, geb’ ich dir deins.“
Die Vorstellung war verlockend. Aber Bonnie entdeckte den wunden Punkt. „Es steht nichts über Caroline selbst drin.
Nur lauter Beschwerden über andere. Meistens über uns. Ich wette, daß Caroline sich freuen würde, wenn wir das vor der ganzen Schule laut vorlesen. Es wäre ein gefundenes Fressen für sie.“
„Was sollen wir also damit machen?“ „Legt es zurück“, erklärte Elena müde. Sie ließ den Lichtstrahl noch einmal durch das Zimmer wandern, das ihr jetzt leicht verändert vorkam. „Wir werden eben so tun müssen, als ob wir nicht wissen, daß sie mein Tagebuch hat, und auf eine neue Chance hoffen.“ „Gut“, sagte Bonnie, blätterte jedoch weiter durch das kleine Buch und gab dabei manchmal ein verächtliches Schnauben oder Zischen von sich. „Hört euch das an!“ rief sie plötzlich laut. „Wir haben keine Zeit“, drängte Elena. Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch Meredith unterbrach sie. „Ein Auto!“ Sie brauchten nur eine Sekunde, um sich klar zu werden, daß ein Wagen in die Auffahrt vor dem Haus einbog. Bonnie riß Augen und Mund weit auf und blieb wie erstarrt vor dem Bett knien.
„Macht schon! Macht!“ Elena entriß ihr das Tagebuch.
„Taschenlampen aus und hinten raus!“ Sofort setzten sie sich in Bewegung. Meredith schleppte Bonnie mit. Elena fiel auf die Knie und hob Carolines
Matratze hoch. Mit einer Hand mühte sie sich ab, das Tagebuch zwischen die schwere Matratze und den sperrigen Sprungfederrahmen zu schieben. Mit Hilfe der Fingerspitzen drückte sie es so weit wie möglich nach hinten und achtete nicht darauf, daß die spitzen Sprungfedern ihre Hand zerkratzten. Dann zog sie den Arm zurück und die Bettdecke gerade.
Während sie hinauslief, warf sie einen hektischen Blick durchs Zimmer. Wenn sie nun etwas übersehen hatten... Egal, es blieb keine Zeit mehr, noch aufzuräumen. Sie huschte leise die Treppe hinunter und hörte auf der Mitte der Stufen den Schlüssel in der Haustür.
Was nun folgte, glich einer grausamen Schnitzeljagd. Elena wußte, daß die Forbes von ihrer Anwesenheit keine Ahnung hatten, doch sie schienen unbewußt geradezu wild entschlossen, sie aufzuspüren.
Elena floh den Weg zurück, den sie gekommen war, als das Licht anging und Stimmen sich der Treppe näherten. Sie rannte vor ihnen davon in das letzte Zimmer auf dem Flur. Es war das Elternschlafzimmer. Die Familie folgte ihr, wie magnetisch angezogen.
Jetzt hörte Elena Geräusche vor der Tür. Sie wandte sich verzweifelt zur angrenzenden Badezimmertür, um von dort wieder auf den Flur zu gelangen. Im letzten Moment sah sie, wie Licht darunter hervorschimmerte. Ihr Fluchtweg war abgeschnitten.
Sie saß in der Falle. Jeden Moment konnten Carolines Eltern vom Flur aus oder vom Badezimmer hereinkommen. Elenas Blick fiel auf die großen Fenstertüren, die auf den Balkon hinausführten, und sie traf eine spontane Entscheidung. Sie öffnete eine der Türen, sprang hinaus und zog sie vorsichtig hinter sich zu. Die Luft draußen war kalt, und ihr Atem bildete weiße Wölkchen. Im Zimmer ging das Licht an. Sie kauerte sich weiter an die Wand, um nicht in den Lichtschein zu geraten.
Dann folgte das Geräusch, das sie am meisten gefürchtet hatte: Das laute Klicken eines Schlosses, gefolgt vom Aufbauschen der weißen Gardinen nach drinnen. Die großen Balkontüren waren wieder geöffnet worden.
Elena sah sich hektisch um. Es war zu hoch, um einfach hinunterzuspringen. Klettern war ebenso aussichtslos. Blieb nur das Dach. Aber auch das
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