Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
wehren oder sich um seine Handgelenke zu wickeln. Elena machte einen einzigen tiefen Atemzug, gerade als sie dem Erstickungstod nahe war, aber sie kam nicht wieder zu Bewusstsein.
Und sie war nicht die Elena, die er kannte. Als er sie hochgehoben hatte, hatte er keinen Widerstand gespürt, keine Akzeptanz, gar nichts. Sie erkannte ihn nicht. Sie war in einem Delirium, hervorgerufen von Fieber, Erschöpfung und Schmerz. Aber in einem Augenblick, in dem sie kurz aus der Bewusstlosigkeit hochdämmerte, hatte sie ihm durch ihr feuchtes, zerzaustes Haar die Hand geküsst und geflüstert:
»Matt ... finde ... Matt.« Sie wusste nicht, wer er war - sie wusste kaum, wer sie war, aber ihre Sorge galt ihrem Freund. Der Kuss hatte seine Hand und seinen Arm durchdrungen wie die Berührung eines Brandeisens, und seither hatte er ihren Geist überwacht, hatte versucht, die Qual, die sie litt, abzulenken - irgendwohin zu lenken - in die Nacht - in ihn selbst hinein.
Er wandte sich wieder zu Shinichi um und sagte mit eisiger Stimme: »Es wäre besser für dich, du wüsstest eine Möglichkeit, um all ihre Wunden zu heilen -
sofort.«
Die entzückende Hütte war umringt von den gleichen Tannen, Walnussbäumen und Kiefern, die auch in der Schneekugel wuchsen. Das Feuer loderte violett und grün auf, als Shinichi es schürte.
»Dieses Wasser wird gleich kochen. Bring sie dazu, den Tee zu trinken, der damit zubereitet wurde.« Er reichte Damon eine geschwärzte Flasche - einst aus wunderschön ziseliertem Silber; jetzt ein zerbeulter Schatten dessen, was sie ehemals gewesen war - und eine Teekanne, auf deren Grund einige zerkleinerte Blätter und andere ungesund aussehende Dinge lagen. »Sorg dafür, dass sie gut drei viertel der Flasche trinkt, und sie wird einschlafen, und wenn sie wieder aufwacht, wird sie wieder fast so gut wie neu sein.«
Er bohrte Damon einen Ellbogen in die Rippen. »Oder du kannst ihr nur wenige Schlucke geben - sodass sie zum Teil geheilt ist - und sie dann wissen lassen, dass es in deiner Macht steht, ihr mehr davon zu geben ... oder auch nicht. Du weißt schon ... je nachdem, wie kooperativ sie sich zeigt...«
Damon erwiderte nichts und wandte sich ab. Wenn ich ihn noch weiter ansehen muss, dachte er, werde ich ihn umbringen. Und ich brauche ihn vielleicht noch einmal.
»Und wenn du den Heilungsprozess wirklich beschleunigen willst, gib etwas von deinem Blut hinzu. Manche Leute machen das gern«, ergänzte Shinichi, der vor Aufregung wieder schneller sprach. »Du weißt schon, feststellen, wie viel Schmerz ein Mensch ertragen kann, und dann, wenn der Mensch drauf und dran ist zu sterben, kann man ihm einfach Tee und Blut einflößen und von Neuem anfangen ...
Wenn er sich vom letzten Mal noch an dich erinnert - was Menschen kaum jemals tun -, erduldet er im Allgemeinen noch mehr Schmerz, nur um eine Chance zu bekommen, gegen dich zu kämpfen ...« Er kicherte und Damon dachte, dass er ein wenig wahnsinnig klang.
Aber als er sich plötzlich zu Shinichi umdrehte, musste er sich mit aller Macht zusammenreißen. Shinichi war zu einem flammenden, glühenden Umriss seiner selbst geworden, mit Lichtzungen, die aus seiner Projektion hervorschossen. Damon war beinahe geblendet und er wusste, dass Shinichi genau das beabsichtigt hatte. Er umklammerte die silberne Flasche, als hielte er seinen eigenen Verstand in Händen.
Vielleicht tat er das ja auch. Er fühlte eine leere Stelle in seinem Geist - und dann waren da plötzlich Erinnerungen an seine Versuche, Elena zu finden ... oder Shinichi. Weil Elena plötzlich einfach nicht mehr da gewesen war, und das konnte nur die Schuld des Kitsune sein.
»Gibt es hier ein modernes Badezimmer?«, fragte Damon Shinichi.
»Was immer du willst; entscheide dich einfach, bevor du eine Tür öffnest und sie mit diesem Schlüssel aufschließt. Und jetzt...« Shinichi rekelte sich, die goldenen Augen halb geschlossen. Dann fuhr er sich träge mit einer Hand durch sein leuchtendes, schwarz-rotes Haar. »Also, ich denke, ich werde mich unter einem Busch schlafen legen.«
»Ist das eigentlich alles, was du jemals tust?« Damon bemühte sich gar nicht erst, den beißenden Sarkasmus aus seiner Stimme zu verbannen.
»Viel Spaß mit Misao. Und kämpfe. Und geh zu den Turnieren. Sie - nun, du wirst hingehen und dir selbst eins ansehen müssen.«
»Ich habe keine Lust, irgendwo hinzugehen.« Damon wollte nicht wissen, womit dieser Fuchs und seine Schwester sich
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