Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
zusammengeflossen waren und die steinernen Schichten der Gleichgültigkeit und Grausamkeit bildeten, die sein Herz umhüllten.
Schichten - so hart wie der Stein im Herzen eines Schwarzen Zwergsterns -
brachen auf und flogen davon. Es gab kein Halten mehr. Gewaltige Brocken zersplitterten, feine Stücke zersprangen. Einige lösten sich in nichts als eine Wolke beißenden, stinkenden Rauchs auf.
Aber da war etwas in der Mitte - irgendein Kern, der schwärzer war als die Hölle und härter als die Hörner des Teufels. Sie konnte nicht recht sehen, was damit geschah. Sie dachte - sie hoffte -, dass ganz am Ende selbst dieser Kern aufgesprengt werden würde.
Jetzt und nur jetzt durfte sie nach dem nächsten Paar Flügel rufen.
Sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie diesen ersten Schritt überleben würde; vielmehr hatte ihr Gefühl ihr gesagt, dass sie ihn nicht überleben konnte. Aber Damon musste sich erinnern.
Damon kniete auf dem Boden, die Arme fest um seinen Leib geschlungen. Das war gewiss in Ordnung so. Er war immer noch Damon und er war erheblich glücklicher ohne die Last all des Hasses, der Vorurteile und der Grausamkeit. Er würde sich nicht länger an seine Jugend erinnern und an die anderen jungen Kerle, die seinen Vater als alten Narren verspottet hatten, mit seinen katastrophalen Investitionen und seinen Mätressen, die jünger waren als seine eigenen Söhne.
Ebenso wenig würde er endlos über seine Kindheit nachgrübeln, in der derselbe Vater ihn in trunkenen Wutanfällen geschlagen hatte, wenn er seine Studien vernachlässigt oder sich mit fragwürdigen Gefährten eingelassen hatte.
Und zu guter Letzt würde er nicht mehr über die vielen schrecklichen Dinge nachsinnen, die er selbst getan hatte. Er war erlöst worden, im Namen des Himmels und in der Zeit des Himmels, durch Worte, die Elena in den Mund gelegt worden waren.
Aber jetzt... etwas gab es, woran er sich erinnern musste. Falls Elena recht hatte.
Wenn sie doch nur recht hatte.
»Wo ist dieser Ort? Bist du verletzt, Mädchen?«
In seiner Verwirrung erkannte er sie nicht. Er kniete immer noch; jetzt kniete sie sich neben ihn.
Er warf ihr einen scharfen Blick zu. »Beten wir oder haben wir uns geliebt?«
»Damon«, sagte sie, »ich bin es, Elena. Wir haben das 21. Jahrhundert und du bist ein Vampir.« Dann umarmte sie ihn sanft, ihre Wange an seine gebettet, und flüsterte: »Flügel der Erinnerung.«
Und ein Paar durchscheinender Schmetterlingsflügel, violett, himmelblau und mitternachtsblau schillernd, wuchsen direkt oberhalb ihrer Hüften aus ihrem Rückgrat. Die Flügel waren geschmückt mit winzigen Saphiren und durchscheinenden Amethysten in kunstvollen Mustern. Mithilfe von Muskeln, die sie noch nie zuvor benutzt hatte, zog sie sie mühelos hoch und nach vorn, bis sie und Damon unter ihnen geborgen waren. Es war, als würden sie von einer dunklen, juwelenbesetzten Höhle umschlungen.
Sie konnte in Damons feinen Zügen sehen, dass er sich an nichts erinnern wollte, woran er sich im Augenblick nicht erinnern konnte. Aber neue Erinnerungen, Erinnerungen, die mit ihr zusammenhingen, stiegen bereits in ihm auf. Er betrachtete seinen Lapislazuli-Ring und Elena konnte sehen, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Dann richtete er den Blick langsam auf sie.
»Elena?«
»Ja.«
»Irgendjemand hat von mir Besitz ergriffen und mir die Erinnerungen an die Zeit genommen, da ich besessen war«, flüsterte er.
»Ja - zumindest glaube ich das.«
»Und jemand hat dir wehgetan.«
»Ja.«
»Ich habe geschworen, ihn zu töten oder ihn hundertfach zu deinem Sklaven zu machen. Er hat dich geschlagen. Er hat mit Gewalt dein Blut genommen. Er hat lächerliche Geschichten erfunden, dass er dir auch in anderer Weise wehgetan habe.«
»Damon. Ja, das ist wahr. Aber bitte ...«
»Ich war auf seiner Fährte. Wäre ich ihm begegnet, hätte ich ihm das schlagende Herz aus der Brust gerissen. Oder ich hätte ihn die schmerzhaftesten Lektionen gelehrt, über die ich je Geschichten gehört habe - und ich habe eine Menge Geschichten gehört -, und am Ende hätte er mit Blut im Mund deine Fersen geküsst, dein Sklave bis zu seinem Tod.«
Dies war nicht gut für ihn. Sie konnte es sehen. Seine Augen waren ganz weiß an den Rändern, wie die eines verängstigten Fohlens.
»Damon, ich flehe dich an ...«
»Und der, der dir wehgetan hat... das war ich.«
»Nicht aus eigenem Willen. Du hast es selbst gesagt. Du warst besessen.«
»Du hast mich so
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