Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
schaute durch das Fenster auf seiner Seite. Dann legte er die Hände an seine Schläfen, um in der Dunkelheit besser sehen zu können, und drückte die Stirn gegen das überraschend kühle Glas.
Etwas berührte seinen Nacken. Er zuckte zusammen, dann erstarrte er. Es war weder kühl noch warm, wie der Fingernagel eines Mädchens.
»Verdammt, Meredith ...«
»Matt...«
Matt war wütend auf sich selbst, weil er zusammengezuckt war. Aber die Berührung war ... kratzig.
»Meredith?« Er nahm langsam die Hände weg, bis er in das Spiegelbild des dunklen Fensters sehen konnte. Meredith berührte ihn nicht.
»Nicht... bewegen ... links, Matt. Da ist ein langer, scharfer Zweig.« Das war Meredith' Stimme, die normalerweise kühl und ein wenig distanziert war und Matt immer an Kalenderbilder mit blauen, von Schnee umringten Seen erinnerte. Jetzt klang sie einfach erstickt und angespannt.
»Meredith!«, sagte Bonnie, bevor Matt sprechen konnte. Bonnies Stimme klang gedämpft wie unter einem Federbett.
»Es ist alles in Ordnung. Ich muss ihn nur ... von dir weghalten«, murmelte Meredith. »Keine Sorge. Ich werde auch dich nicht loslassen.«
Matt spürte ein scharfes Kratzen von Splittern. Etwas berührte ganz sachte seinen Hals auf der rechten Seite. »Bonnie, lass das! Du ziehst den Baum rein! Du ziehst ihn über Meredith und mich!«
»Matt, halt den Mund!«
Matt gehorchte. Sein Herz hämmerte. Das Letzte, was er tun wollte, war hinter sich zu greifen. Aber das ist idiotisch, dachte er, denn wenn Bonnie den Baum wirklich bewegt, kann ich ihn zumindest für sie ruhig halten.
Er griff hinter sich, zuckte zusammen und versuchte, im Spiegelbild des Fensters zu beobachten, was er tat. Seine Hand schloss sich über einem dicken Knoten von Borke und Splitter.
Er dachte: Ich erinnere mich nicht daran, einen Knoten gesehen zu haben, als der Ast auf meine Kehle zeigte ...
»Ich hab's!«, erklang eine gedämpfte Stimme, gefolgt vom Klicken eines Sicherheitsgurtes, der gelöst wurde. Dann sagte die Stimme, viel zittriger diesmal:
»Meredith? Ich habe lauter Nadeln im Rücken.«
»Okay, Bonnie. Matt.« Meredith sprach mit einiger Anstrengung, aber mit großer Geduld, so wie sie alle mit Elena geredet hatten. »Matt, du musst jetzt deine Tür öffnen.«
Bonnie rief voller Entsetzen: »Es sind nicht nur Nadeln. Es sind kleine Aste.
Irgendwie wie Stacheldraht. Ich ... hänge fest...«
»Matt! Du musst deine Tür öffnen, sofort...«
»Ich kann nicht.«
Schweigen.
»Matt?«
Matt wappnete sich, stieß sich mit den Füßen ab und umkrampfte jetzt mit beiden Händen die schuppige Borke. Er drückte sich mit aller Kraft zurück.
»Matt!« Meredith schrie beinahe. »Es schneidet in meine Kehle!«
»Ich kriege meine Tür nicht auf! Auf dieser Seite ist ebenfalls ein Baum!«
»Wie kann dort ein Baum sein? Da ist die Straße!«
»Wie kann ein Baum hier drin wachsen?«
Wieder herrschte Schweigen. Matt konnte die Splitter fühlen - die Bruchstücke von abgebrochenen Zweigen -, die sich tiefer in seinen Nacken bohrten. Wenn er sich nicht bald bewegte, würde er es niemals wieder tun können.
KAPITEL ZEHN
Elena war auf eine heitere Weise glücklich. Jetzt war die Reihe an ihr.
Stefano benutzte einen scharfen, hölzernen Brieföffner von seinem Schreibtisch, um sich zu schneiden. Elena hasste es immer, ihn das tun zu sehen, ihn das wirksamste Instrument benutzen zu sehen, das vampirische Haut durchdringen konnte; also presste sie die Augen fest zusammen und schaute erst wieder hin, wenn rotes Blut aus einer kleinen Schnittwunde an seinem Hals tröpfelte.
»Du brauchst nicht viel zu nehmen - und du solltest es auch nicht tun«, flüsterte Stefano, und sie wusste, dass er diese Dinge sagte, solange er sie noch sagen konnte. »Ich halte dich doch nicht zu fest oder tue dir weh?«
Er war immer so besorgt. Diesmal küsste sie ihn.
Und sie konnte erkennen, wie seltsam es für ihn war, ihre Küsse noch mehr zu begehren als ihr Blut. Lachend drückte Elena ihn herunter und beugte sich über ihn und näherte sich der Wunde, wohl wissend, dass er glaubte, sie werde ihn necken.
Aber stattdessen saugte sie sich wie eine Napfschnecke fest und saugte so kräftig, bis sie ihn dazu brachte, in seinem Geist Bitte! zu sagen. Aber sie war erst zufrieden, wenn sie ihn so weit hatte, dass er es auch laut aussprach: »Bitte!«
Im Wagen, in der Dunkelheit, hatten Matt und Meredith dieselbe Idee. Meredith war eine Spur schneller, aber sie
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