Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
trieb über
ihrem Kopf. Sie umklammerte mit einer Hand Stefanos
Gürtel mit einem Todesgriff und hielt sich mit der anderen
an den verwobenen Kletterpflanzen des Handlaufs fest.
Sie kamen an eine Stel e, an der ein Brett sich gelöst hatte.
Die Bretter davor und dahinter sahen aus, als könnten sie
jeden Augenblick nachgeben.
»Vorsichtig jetzt!«, sagte Bonnie lachend und sprang über
al e drei Bretter hinweg.
Stefano stieg über das erste wackelige Brett, dann über
das fehlende und setzte schließlich den Fuß auf das
nächste.
Krach!
Elena schrie nicht – über dieses Stadium war sie hinaus.
Sie konnte nicht hinschauen. Bei dem Geräusch hatte sie
die Augen geschlossen.
Und sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte keinen
Finger rühren. Und erst recht keinen Fuß.
Sie spürte Damons Arm um ihre Tail e. Beide Arme. Sie
wol te, dass er sie trug, wie er es so viele Male schon getan
hatte.
Aber Damon flüsterte ihr Worte wie Zaubersprüche zu, die
es ihren Beinen ermöglichten, nicht mehr zu zittern und sich
nicht mehr zu verkrampfen. Die Worte halfen ihr auch, nicht
mehr so schnel zu atmen, dass sie in Ohnmacht zu fal en
drohte. Und dann hob er sie hoch und Stefanos Arme
umfingen sie und f?r einen Moment hielten beide sie fest.
Dann ?bernahm Stefano ihr Gewicht und stel te sie sachte
auf festen Brettern wieder ab.
Elena wol te sich wie ein Koala an ihn klammern, aber sie
wusste, dass sie das nicht durfte. Dann würden sie beide
fal en. Also fand sie irgendwo, in einer inneren Tiefe – von
der sie gar nicht wusste, dass sie sie besaß – den Mut, ihr
Gewicht selbst zu tragen, und tastete nach der
Kletterpflanze.
Dann hob sie den Kopf und flüsterte so laut sie konnte:
»Geh weiter. Wir müssen Damon Platz machen.«
»Ja«, flüsterte Stefano zurück. Aber er küsste sie auf die
Stirn, ein schnel er, beschützender Kuss, bevor er sich
umdrehte und auf die ungeduldige Bonnie zuging.
Hinter sich hörte – und spürte – Elena, wie Damon
katzenhaft über die Lücke sprang.
Elena hob den Blick, um erneut auf Stefanos Hinterkopf zu
starren. Sie konnte gar nicht al die Gefühle erfassen, die
sie in diesem Moment verspürte: Liebe, Entsetzen,
Ehrfurcht, Erregung – und natürlich Dankbarkeit.
Sie wagte es nicht, den Kopf zu drehen, um zu Damon
zurückzublicken, aber sie empfand genau die gleichen
Dinge für ihn.
»Noch ein paar Schritte«, sagte er immer wieder. »Noch
ein paar Schritte.«
Eine kurze Ewigkeit später befanden sie sich auf festem
Boden und standen vor einer mittelgroßen Höhle. Elena
ließ sich auf die Knie fal en. Ihr war übel und sie fühlte sich
schwach. Aber sie versuchte, sich bei Damon zu
bedanken, als er auf dem verschneiten Bergpfad an ihr
vorbeiging.
»Du warst mir im Weg«, sagte er knapp und kalt wie der
Wind. »Wenn du gefal en wärst, hättest du womöglich die
ganze Brücke aus dem Gleichgewicht gebracht. Und mir ist
heute zufäl ig nicht nach sterben zumute.«
»Was sagst du zu ihr? Was hast du gerade gesagt?«
Stefano, der außer Hörweite gewesen war, kam
zurückgeeilt. »Was hat er zu dir gesagt?«
Damon, der seine Hand nach Kletterpflanzendornen
absuchte, antwortete, ohne aufzublicken: »Ich habe ihr die
Wahrheit gesagt, das ist al es. Bisher steht es für sie nul zu
zwei auf dieser Reise. Hoffen wir, dass sie euch, wenn ihr
es überhaupt bis dorthin schafft, in das Torhaus lassen,
denn wenn es nach unseren bisherigen Leistungen geht,
haben wir es schon vermasselt. Oder sol te ich besser
sagen: Einer von uns hat es vermasselt?«
»Halt den Mund oder ich werde ihn dir stopfen«, versetzte
Stefano mit einer Stimme, die Elena noch nie zuvor bei ihm
gehört hatte. Sie starrte ihn an. Es war, als sei er innerhalb
einer Sekunde um zehn Jahre gealtert. »Wage es niemals
wieder, o zu ihr oder über sie zu sprechen, Damon!«
Damon sah ihn einen Moment lang mit verengten Pupil en
an. Dann sagte er: »Was auch immer«, und schlenderte
davon.
Stefano bückte sich, um Elena in die Arme zu nehmen, bis
sie aufhörte zu zittern.
Da hatte sie es, dachte Elena. Eiskalter Zorn ergriff sie.
Damon hatte nicht den geringsten Respekt vor ihr; er hatte
vor niemandem Respekt, au?er vor sich selbst. Sie konnte
Bonnie nicht vor ihren eigenen Gef?hlen besch?tzen ? oder
ihn daran hindern, sie zu beleidigen. Sie konnte Bonnie
nicht daran hindern zu verzeihen. Aber sie, Elena, war fertig
mit Damon. Diese letzte Beleidigung
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