Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
umgab.
Meredith’ kühler Kopf und klare Logik fehlten, also grub
Elena die Fingernägel in die Innenseiten ihrer Handflächen
und rief: »Nein! Die nächste!«, so schnel und
nachdrücklich, wie sie nur konnte.
Sage begann wieder zu sprechen. Sie zwang sich
zuzuhören. »Die Königliche Radhika-Blume, von der die
Legenden behaupten, sie sei vor vielen Jahrtausenden
vom Himmlischen Hof gestohlen worden. Sie wechselt ihre
Gestalt.«
Es war durchaus einfach, das zu sagen – aber es
tatsächlich zu sehen …
Elena beobachtete erstaunt, wie etwa ein Dutzend dicker,
gedrehter Stiele, an deren oberem Ende prachtvol e weiße
Cal a-Lilien blühten, schwach zitterten. Im nächsten Moment
sah sie einen Strauß Veilchen mit samtenen Blättern und
einem Tautropfen auf einem Blütenblatt. Eine Sekunde
später prangten auf den Stielen strahlende malvenfarbene
Löwenmäulchen – und der Tautropfen war immer noch da,
wo er zuvor gewesen war. Bevor sie sich ins Gedächtnis
rufen konnte, dass sie die Hand nicht ausstrecken und sie
ber?hren durfte, verwandelten sich die L?wenm?ulchen in
dunkle, zur G?nze ge?ffnete rote Rosen. Als die Rosen zu
exotischen goldenen Blumen wurden, die Elena noch nie
gesehen hatte, musste sie ihnen den R?cken zukehren.
Sie pral te gegen eine harte maskuline nackte Brust,
während sie sich zwang, realistisch zu bleiben. Die
Mitternacht nahte – und zwar nicht in Form einer Rose.
Fel ’s Church brauchte al e Hilfe, die es bekommen konnte,
und hier starrte sie Blumen an.
Abrupt hob Sage sie von den Füßen und sagte: »Was für
eine Versuchung, vor al em für eine Liebhaberin von la
beauté wie dich, belle madame. Was für eine törichte
Regel, dich daran zu hindern, auch nur eine einzige Knospe
zu nehmen! Aber es gibt etwas noch Höheres und
Reineres als Schönheit, Elena. Du, du bist danach benannt.
Auf Altgriechisch bedeutet Elena so viel wie ›Licht‹! Die
Dunkelheit naht schnel – die letzte, immerwährende
Mitternacht! Schönheit wird sie nicht aufhalten; sie ist eine
Bagatel e, ein Nichts, nutzlos in Zeiten der Katastrophe.
Aber Licht, Elena, Licht wird die Dunkelheit bezwingen! Ich
glaube dies, so wie ich an deinen Mut glaube, an deine
Aufrichtigkeit und an dein sanftes, liebendes Herz.«
Mit diesen Worten küsste er sie auf die Stirn und stel te sie
wieder auf den Boden.
Elena war benommen. Denn von al en Dingen, die sie
wusste, wusste sie am besten, dass sie die nahende
Dunkelheit nicht besiegen konnte – nicht al ein.
»Aber du bist auch nicht al ein«, flüsterte Stefano, und sie
begriff, dass er direkt an ihrer Seite war und dass sie wie
ein offenes Buch sein musste und ihre Gedanken so
deutlich projizierte, als spr?che sie sie laut aus.
»Wir sind al e hier bei dir«, sagte Bonnie mit einer Stimme,
die doppelt so groß war wie sie selbst. »Wir haben keine
Angst vor der Dunkelheit.«
Es folgte eine Pause, während al e versuchten, Damon
nicht anzusehen. Schließlich sagte er: »Irgendwie habe ich
mich zu diesem Wahnsinn überreden lassen – ich frage
mich immer noch, wie das passiert ist. Aber ich bin so weit
gekommen und ich werde jetzt nicht umdrehen.«
Sage wandte sich der letzten Tür zu und sie leuchtete auf.
Jedoch nicht stark. Sie sah aus wie der schattige Stamm
eines sehr großen Baums. Merkwürdig war jedoch, dass
unter diesem Baum absolut nichts wuchs. Keine Farne
oder Büsche oder Setzlinge, nicht einmal die
normalerweise al gegenwärtigen Kletterpflanzen und
Gräser. Auf dem Boden lagen nur einige tote Blätter, doch
ansonsten bestand er lediglich aus Erde.
Sage sagte: »Ein Planet, auf dem es nur eine einzige
körperliche Lebensform gibt. Den Großen Baum, der eine
ganze Welt bedeckt. Die Krone verdeckt al es, bis auf die
natürlichen Süßwasserseen, die der Baum braucht, um zu
überleben.«
Elena blickte in das Herz dieser Zwielichtwelt. »Wir sind so
weit gekommen, und viel eicht – viel eicht können wir
zusammen die Sternenkugel finden, die unsere Stadt retten
wird.«
»Dies ist die Tür, die ihr auswählt?«, fragte Sage.
Elena sah die anderen an. Sie al e schienen auf ihre
Bestätigung zu warten. »Ja – und zwar sofort. Wir müssen
uns beeilen.« Sie machte eine Bewegung, als wol e sie ihr
Glas abstel en – und es verschwand. Sie lächelte Sage
dankbar an.
»Streng genommen sol te ich euch nicht helfen«, sagte er.
»Aber wenn ihr einen Kompass habt …«
Elena hatte einen. Er
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