Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
würden. Nutzlose Fragen
durchzuckten ihr Unterbewusstsein: Wie konnte ich so
dumm sein? Ist das möglicherweise ein Traum? Und: Bitte,
Gott, kann ich das ungeschehen machen?
Meredith wurde plötzlich bewusst, dass sie von beiden
Seiten gestützt wurde, von Mrs Flowers und einem
sechzehnjährigen Mädchen, Ava Wakefield. Der
BlackBerry lag auf dem Zementboden des Kel ers. Sie
musste tatsächlich kurz ohnmächtig geworden sein.
Mehrere der jüngeren Kinder schrien Matts Namen.
»Nein – ich – ich kann al ein stehen …« Das Einzige auf
der Welt, was sie wol te, war, in die Dunkelheit zu gehen
und dieses Grauen hinter sich zu lassen. Sie wol te ihre
Beine schlaff und ihren Geist leer werden lassen, um zu
fliehen …
Aber sie konnte nicht weglaufen. Sie hatte den Stab
genommen; sie hatte die Pflicht von ihrem Großvater
übernommen. Al es Übernatürliche, das Fel ’s Church
während ihrer Wache schaden wol te, war ihr Problem. Und
das Problem war, dass ihre Wache niemals endete.
Matt kam die Treppe heruntergepoltert, ihren
Siebenjährigen in den Armen, Hailey, der ständig unter
kleinen, epileptischen Krampfanfäl en zitterte.
»Meredith!« Sie konnte die Ungläubigkeit in seiner Stimme
hören. »Was ist los? Was hast du herausgefunden, um
Gottes wil en?«
»Komm … sieh es dir an.« Meredith erinnerte sich an
Einzelheit um Einzelheit, die bei ihr hätten Warnglocken
erschril en lassen sol en. Matt war irgendwie bereits an
ihrer Seite, noch während sie sich an Bonnies erste
Beschreibung von Isobel Saitou erinnerte.
»Ein wenig schüchtern. Der stille Typ. Schwer
kennenzulernen. Und … nett.«
Und dieser erste Besuch im Haus der Saitous. Das
Grauen, zu dem die schüchterne, stil e, nette Isobel Saitou
geworden war: die Göttin des Piercings, der aus al en
Löchern Blut und Eiter gesickert waren. Und als sie
versucht hatten, ihrer uralten Großmutter das Essen zu
bringen, hatte Bonnie geistesabwesend bemerkt, dass
Isobels Zimmer sich direkt unter dem der puppenähnlichen
alten Dame befand. Nachdem sie Isobel gesehen hatte,
gepierct und sichtlich gestört, hatte Meredith vermutet,
dass jeglicher böse Einfluss versuchen musste, sich nach
oben zu bewegen, und sie hatte sich um die arme alte
Großmutter gesorgt. Aber das Böse konnte sich genauso
leicht nach unten bewegt haben. Viel eicht hatte Jim Bryce
Isobel doch nicht mit dem Malach-Wahnsinn angesteckt.
Viel eicht hatte sie ihn damit angesteckt und er hatte
Caroline und seine Schwester angesteckt.
Und dieses Kinderspiel! Das furchtbar grausame Lied, das
Obaasan – das Inari-Obaasan gegurrt hatte. »Fuchs und
Schildkröte machen ein Rennen …« Und ihre Worte:
»Irgendwie ist ein Kitsune in diese Sache verstrickt.« Sie
hatte sie ausgelacht, sich amüsiert! Wenn sie es recht
bedachte, war es Inari-Obaasan, von der Meredith zum
ersten Mal das Wort »Kitsune« gehört hatte.
Und da war eine weitere Grausamkeit, die Meredith bisher
nur hatte entschuldigen können, weil sie annahm, dass
Obaasan sehr schlecht sah. An jenem Abend hatte
Meredith der Tür den Rücken zugewandt, genau wie
Bonnie – sie hatten sich beide auf die »arme, hinfäl ige alte
Grandma« konzentriert. Aber Obaasan war der Tür
zugewandt gewesen, und sie war die Einzige, die gesehen
haben konnte – gesehen haben musste –, wie Isobel sich
von hinten an Bonnie anschlich. Und dann, gerade als das
Lied über das grausame Spiel Bonnie sagte, dass sie
hinter sich schauen müsse … Dann hatte Isobel dort
gehockt, bereit, Bonnie mit ihrer gegabelten rosafarbenen
Zunge die Stirn abzulecken …
»Warum?«, hörte Meredith sich sagen. »Warum war ich so
dumm? Wie ist es möglich, dass ich das nicht von Anfang
an gesehen habe?«
Matt hatte den BlackBerry wieder aufgehoben und las die
Webseite. Dann stand er wie gebannt da, die blauen
Augen weit aufgerissen. »Du hattest recht«, sagte er nach
langen Sekunden.
»Ich wünsche mir so sehr, dass ich mich irre …«
»Meredith – Shinichi und Misao sind Inaris Diener … Wenn
diese alte Dame Inari ist, sind wir wie verrückt hinter den
falschen Leuten hergelaufen, hinter den Handlangern …«
»Die verdammten Amulette«, stieß Meredith mit erstickter
Stimme hervor. »Die, die Obaasan gemacht hat. Sie sind
nutzlos, fehlerhaft. Deshalb haben sie beim Kampf in der
Pension nichts gebracht. Al diese Kugeln, die sie
gesegnet hat, hätten nichts bewirken sol en – aber viel
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