Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
baumelte immer von ihrem Rucksack,
weil sie ständig versuchte, ihn zu lesen.
Sage nahm den Kompass in die Hand und zeichnete
schwach eine Linie darauf. Ohne dass er den Kompass
bewegte, richtete sich die Nadel auf die Linie aus – sie
zeigte nicht länger nach Norden, sondern ungefähr nach
Nordosten. »Folgt dem Pfeil«, sagte er. »Er wird euch zum
Stamm des Großen Baums bringen. Wenn ich raten
müsste, wo die größte Sternenkugel zu finden ist, würde ich
in diese Richtung gehen. Aber seid auf der Hut! Schon
andere haben diesen Pfad ausprobiert. Ihre Leiber haben
den Großen Baum genährt – als Dünger.«
Elena hörte die Worte kaum. Sie hatte furchtbare Angst bei
dem Gedanken, den ganzen Planeten nach einer
Sternenkugel absuchen zu müssen. Natürlich mochte es
eine sehr kleine Welt sein, wie … wie …
Wie der kleine Diamantmond, den du über der Unterwelt
gesehen hast?
Die Stimme in Elenas Kopf war gleichzeitig vertraut und
fremd. Sie schaute Sage an, der lächelte. Dann sah sie
sich im Raum um. Al e schienen darauf zu warten, dass sie
den ersten Schritt tat.
Sie tat ihn.
KAPITEL VIERUNDREISSIG
»Wir haben euch zu essen gegeben und uns, so gut wir
können, um euch gekümmert«, sagte Meredith und
betrachtete al die angespannten, verängstigten jungen
Gesichter im Kel er, die ihr zugewandt waren. »Und jetzt
gibt es nur eines, was ich als Gegenleistung von euch
erbitten wil .« Sie riss sich zusammen und schlug einen
ruhigeren Tonfal an. »Ich wil wissen, ob irgendjemand von
einem Handy weiß, über das man ins Internet kommt, oder
von einem Computer, der noch funktioniert. Bitte, bitte –
wenn ihr auch nur denkt, dass ihr wisst, wo ein solches
Handy oder ein Computer sein könnten, sagt es mir.«
Die Anspannung war wie ein dickes Gummiband, das sich
von Meredith zu jedem der bleichen, verkrampften
Gesichter zog.
Es war nur gut, dass Meredith im Wesentlichen ein
ausgeglichener Mensch war. Ungefähr zwölf Hände fuhren
sofort in die Höhe, und ihre einzige Fünfjährige flüsterte:
»Meine Mommy hat eins. Und mein Daddy auch.«
Es trat eine Pause ein, bevor Meredith fragte: »Kennt
irgendjemand dieses Mädchen?«
Ein älteres Mädchen antwortete: »Es meint nur, dass sie
vor dem brennenden Mann welche hatten.«
»Heißt der brennende Mann Shinichi?«, fragte Meredith.
»Natürlich. Manchmal ließ er die roten Teile seines Haares
über seinem Kopf brennen.«
Meredith legte diese kleine Tatsache ab unter Dinge, die
ich nicht sehen will, ehrlich, Ehrenwort, niemals.
Dann befreite sie sich entschlossen von dem Bild.
»Jungs und Mädels, bitte, bitte, denkt nach. Ich brauche nur
ein einziges, ein einziges Handy mit Internet-Zugang, das
in diesem Augenblick noch aufgeladen ist. Oder einen
Laptop oder Computer, der jetzt noch funktioniert, viel eicht
weil ein Generator noch immer Strom erzeugt. Nur eine
einzige Familie mit einem eigenen Generator, der noch
arbeitet. Irgendjemand?«
Die Hände waren jetzt unten. Ein Junge, in dem sie
glaubte, eins der Loring-Geschwister zu erkennen, und der
viel eicht zehn oder elf Jahre alt war, erzählte: »Der
brennende Mann hat uns gesagt, Handys und Computer
seien böse. Das war der Grund, warum mein Bruder seine
erste Rauferei mit meinem Dad hatte. Er hatte al e Handys
zu Hause in die Toilette geworfen.«
»Okay. Okay, danke. Aber ist hier irgendjemand, der ein
funktionierendes Handy oder einen Computer gesehen
hat? Oder einen Heimgenerator …«
»Nun, ja, meine Liebe, ich habe so was.« Die Stimme kam
von einer der obersten Treppenstufen. Mrs Flowers stand
dort, in einem frischen Jogginganzug. Seltsamerweise hielt
sie ihre voluminöse Handtasche in der Hand.
»Sie hatten – äh – haben einen Generator?«, fragte
Meredith mit flauem Gefühl im Magen. Wenn es zur
Katastrophe kam, dann nur, weil sie, Meredith, ihre
Hausaufgaben nicht vern?nftig gemacht hatte! Die Minuten
verrannen, und wenn al e in Fel ?s Church starben, w?rde
es ihre Schuld sein. Ihre Schuld. Sie glaubte nicht, dass sie
damit würde leben können. Aber wahrscheinlich musste sie
das auch gar nicht, dachte sie grimmig.
Meredith hatte ihr Leben lang versucht, den Zustand von
Ruhe, Konzentration und Balance zu finden, als wichtiges
Gegenstück zu ihren kämpferischen Fähigkeiten in
verschiedenen Disziplinen. Und sie war gut darin geworden
– eine gute Beobachterin, eine gute Tochter, sogar eine
gute Schülerin, obwohl
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