Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
war
nicht nur deshalb so groß, weil sie so gewachsen war –
nein, auch die Schleppe ihres Kleides berührte nur gerade
eben den Boden: Sie hatte die Schwerkraft vol kommen ?
berwunden. Die Peitsche, Sages Geschenk, trug sie
zusammengerol t an der Tail e, und sie leuchtete silbern wie
ihr Haar.
Matt und Meredith schlossen gleichzeitig die Türen des
SUV. Matt ließ den Motor laufen, damit sie schnel wieder
fliehen konnten.
Sie gingen um die Garage des Saitou-Hauses herum,
sodass sie die Vorderseite des Hauses sehen konnten.
Meredith, die es nicht mehr kümmerte, wie sie aussah oder
ob sie kühl oder beherrscht wirkte, wischte sich beide
Hände an ihren Jeans ab. Dies war die erste – und
wahrscheinlich einzige – wahre Schlacht des Kampfstabes.
Was zählte, war nicht der äußere Schein, sondern die
Leistung.
Plötzlich blieben sowohl sie als auch Matt wie angewurzelt
stehen, als sie eine Gestalt auf der untersten Treppenstufe
vor der Veranda sahen. Es war niemand aus dem Haus,
den sie identifizieren konnten. Aber dann öffneten sich die
dunkelroten Lippen, die zierlichen Hände flogen zu ihnen
hinauf, und windspielhel es Gelächter erklang irgendwo
hinter den Händen.
Einen Moment lang konnten sie diese Frau, die ganz in
Schwarz gekleidet war, nur fasziniert anstarren. Sie war
genauso groß wie Thea, genauso schlank und anmutig, und
sie schwebte genauso hoch über dem Boden. Aber was
Meredith und Matt besonders faszinierte, war die Tatsache,
dass ihr Haar genauso wie das von Misao und Shinichi war
– nur umgekehrt. Während die Kitsune-Geschwister
schwarzes Haar mit scharlachroten Spitzen hatten, hatte
diese Frau scharlachrotes Haar ? meterlang ?, das
schwarz ges?umt war. Nicht nur das, sie hatte auch
zierliche schwarze Fuchsohren, die aus dem roten Haar
ragten, und einen langen, glatten scharlachroten Schwanz
mit einer schwarzen Spitze.
»Obaasan?«, stieß Matt ungläubig vor.
»Inari!«, blaffte Meredith.
Das liebreizende Geschöpf sah sie überhaupt nicht an. Es
musterte vol er Verachtung Thea. »Winzige Hexe einer
winzigen Stadt«, sagte sie. »Du hast fast al deine Macht
verbraucht, nur um mir auf gleicher Höhe begegnen zu
können. Wozu taugst du noch?«
»Ich habe nur sehr geringe Kräfte«, pflichtete Thea ihr bei.
»Aber wenn die Stadt wertlos ist, warum hast du so lange
gebraucht, um sie zu zerstören? Warum hast du
zugesehen, wie andere es versuchten – oder waren sie
alle deine Schachfiguren, Inari? Catarina, Nicolaus, der
arme junge Tyler – waren sie deine Schachfiguren,
Kitsune-Göttin?«
Inari lachte – noch immer dieses glockenhel e,
mädchenhafte Gekicher, das sie hinter den Fingern
verbarg. »Ich brauche keine Schachfiguren! Shinichi und
Misao sind meine leibeigenen Diener, wie al e Kitsune es
sind! Ich habe ihnen gewisse Freiheiten gelassen, damit
sie Erfahrungen sammeln konnten. Wir werden jetzt zu
größeren Städten weiterziehen und sie verwüsten.«
»Zuerst wirst du Fel ’s Church bezwingen müssen«, sagte
Thea mit ruhiger Stimme. »Und das werde ich dir nicht
gestatten. «
»Du verstehst immer noch nicht, oder? Du bist ein Mensch
und fast ohne Macht! Meine Sternenkugel ist die gr??te in
al en Welten! Ich bin eine G?ttin!?
Thea senkte den Kopf, dann hob sie ihn wieder, um Inari in
die Augen zu sehen. »Wil st du wissen, was meiner
Meinung nach die Wahrheit ist, Inari?«, fragte sie. »Ich
denke, dass du das Ende eines sehr, sehr langen, aber
nicht unsterblichen Lebens erreicht hast. Ich denke, du bist
geschrumpft, langsam dahingeschwunden, sodass du jetzt
zuletzt eine große Menge Macht aus deiner Sternenkugel –
wo immer sie ist – benutzen musst, um o zu erscheinen. Du
bist eine sehr, sehr alte Frau, und du hast überal auf der
Welt Kinder gegen ihre eigenen Eltern aufgebracht und
Eltern gegen ihre Kinder, weil du die Kinder um ihre
Jugend beneidest. Du hast am Ende sogar Shinichi und
Misao beneidet und aus Rache erlaubt, dass sie verletzt
wurden – nur um dich an ihnen zu rächen.«
Matt und Meredith sahen einander mit großen Augen an.
Inari atmete sehr schnel , aber es schien, als fal e ihr keine
Erwiderung ein.
»Du hast sogar so getan, als seiest du in eine ›zweite
Kindheit‹ eingetreten, um dich wie ein kleines Mädchen zu
benehmen. Aber nichts davon befriedigt dich, denn die
schlichte, traurige Wahrheit ist, dass du das Ende deines
ungeheuer langen Lebens erreicht hast – ganz
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