Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
bereits facettiert und poliert, und die
meisten sogar von Hand geschliffen und mit mysteriösen
goldenen oder silbernen Inschriften versehen. Zwei lange,
schwarze, mit Samt ausgeschlagene Schatul en mit
vergilbten Zylindern aus Papyrus oder Papier darin; die
eine mit einer reinschwarzen Rose daneben und die
andere mit einem einfachen Strau? hel er, fr?hlingsgr?ner
Bl?tter. Elena wusste, worum es sich bei den vergilbten
Dokumenten mit ihren rissigen Wachssiegeln handelte. Die
Besitzurkunden f?r das Feld mit den schwarzen Rosen und
das Kitsune-Paradies.
Wenn man al e Schätze zusammen betrachtet, scheinen es
beinahe zu viel zu sein, dachte Elena. Jeder einzelne der
sieben – nein, jetzt sechs – Kitsune-Schätze war genug, um
Welten dagegen einzutauschen. Ein Zweig der Königlichen
Radhika, die sich soeben von rosafarbenem Lerchensporn
in eine weiße Orchidee verwandelte, war unermesslich
kostbar. Das Gleiche galt für eine einzige samtschwarze
Rose und ihre Macht, die stärkste Magie in sich zu
bewahren. Ein Juwel aus der Mine, beispielsweise ein
doppelt faustgroßer Diamant, stel te jeden auf Erden
bekannten Stein in den Schatten. Ein einziger Tag im
Kitsune-Paradies konnte wie ein ganzes Leben
erscheinen. Ein einziger Schluck von dem schäumenden
Wasser vermochte ein Menschenleben so lang zu machen
wie das des ältesten Alten …
Natürlich hätte dort auch die größte existierende
Sternenkugel liegen sol en, vol er unheimlicher Macht, aber
Elena hoffte, dass die Wächter das übersehen würden.
Sie hoffte es? Sie staunte und schüttelte den Kopf, was
Bonnie veranlasste, fest ihre Hand zu drücken. Sie hoffte
nicht. Sie wagte nicht zu hoffen. Noch nicht einmal einen
Hauch von Hoffnung gestattete sie sich bisher.
Eine weitere Dienerin, eine dieser Rothaarigen, warf ihnen
aus grünen Augen einen kalten Blick zu und griff nach dem
Plastikkanister, auf dessen Etikett die Worte Sektor 3
Wasser tanden. Als sie wieder ging, brummte Sage:
»Qu’est-ce qui lui prend? Ich meine, was ist ihr Problem?
Mir gefäl t das Wasser im Vampirsektor. Das
Brunnenwasser in der Unterwelt gefäl t mir dagegen nicht.«
Elena hatte bereits den Farbkodex der Wächter
entschlüsselt. Die Blonden waren sehr geschäftsmäßig und
nur ungeduldig, wenn es unnötige Verzögerungen gab. Die
Dunkelhaarigen waren die freundlichsten – viel eicht gab es
in der Unterwelt weniger Arbeit für sie. Die grünäugigen
Rothaarigen waren schlicht und einfach zickig.
Bedauerlicherweise war die junge Frau, die auf dem
Podest auf dem mittleren Thron saß, eine Rothaarige.
»Bonnie?«, flüsterte sie.
Bonnie musste schlucken und schniefen, bevor sie ein
»Ja?« herausbekam.
»Habe ich dir je gesagt, wie sehr ich deine Augen mag?«
Bonnie schaute sie aus ihren braunen Augen lange an,
bevor sie vor Lachen zitterte. Zumindest begann es wie ein
Lachen und dann vergrub Bonnie plötzlich den Kopf an
Elenas Schulter und zitterte einfach nur.
Stefano drückte Elenas Hand. »Sie hat sich solche Mühe
gegeben – für dich. Sie – hat ihn nämlich ebenfal s geliebt.
Das wusste ich nicht einmal. Ich schätze … ich schätze, ich
war einfach nach al en Seiten blind.«
Er strich sich mit der freien Hand durch sein bereits
zerzaustes Haar. Er sah sehr jung aus, wie ein kleiner
Junge, der plötzlich für etwas bestraft wurde, von dem man
ihm nicht gesagt hatte, dass es falsch war. Elena dachte an
ihn, wie er im Garten der Pension getanzt hatte, mit ihren
Füßen auf seinen, wie er in seinem Dachbodenzimmer ihre
H?nde gek?sst hatte. Sie wol te ihm sagen, dass al es gut
werden w?rde, dass das Lachen in seine Augen zur?
ckkehren w?rde, aber sie konnte den Gedanken nicht
ertragen, dass sie ihn m?glicherweise belog.
Plötzlich fühlte Elena sich wie eine sehr, sehr alte Frau, die
nur noch schwach hören und sehen konnte, deren
Bewegungen ihr schreckliche Schmerzen bereiteten und
die innerlich fror. Jedes einzelne Gelenk und jeder Knochen
schienen mit Eis gefül t.
Endlich, als al e Schätze, darunter ein funkelnder goldener
magischer Generalschlüssel, an die jungen Frauen auf
ihrem Thron übergeben worden waren, damit sie sie
untersuchen und erörtern konnten, kam eine dunkelhäutige
Dienerin mit warmen Augen zu Elenas Gruppe. »Ihr dürft
euch jetzt Ihren Gnaden, den hohen Richterinnen, nähern.
Und«, fügte sie mit einer Stimme hinzu, die so sanft war
wie die Berührung eines Libel enflügels,
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