Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
zusammen, als sei ihm gerade
aufgefal en, dass er sie angestarrt hatte. Elena und Bonnie
sahen einander über seinen Kopf hinweg an.
»Aber was ist mit al den Leuten passiert, die ursprünglich
auf der Insel gelebt haben? Mit denjenigen, die die Häuser
gebaut haben?«
»Nun, hier haben ursprünglich nicht viele Menschen gelebt.
Ich schätze, die Insel könnte ihren Namen, Insel des
Schicksals, schon vor dieser Katastrophe bekommen
haben, die mein Team untersucht hat. Aber soweit ich
herausfinden konnte, war es eine Art Krieg – ein
Bürgerkrieg. Zwischen den Kindern und den
Erwachsenen.«
Als Bonnie und Elena diesmal einander ansahen, waren
beider Augen groß. Genau wie zu Hause … begann
Bonnie, aber Elena sagte: Scht. Hör zu.
»Ein Bürgerkrieg zwischen Kindern und ihren Eltern?«,
wiederholte Alaric langsam. »Also, das ist unheimlich.«
»Ich bin zu dieser Schlussfolgerung gekommen, weil ich
andere Möglichkeiten ausschließen konnte. Verstehen Sie,
ich habe jede Menge Gräber gefunden, eigens angelegte
oder einfach Löcher im Boden. Hier scheinen die
Einwohner nicht von außen überrannt worden zu sein. Sie
sind auch nicht an Hunger oder Dürre gestorben – in den
Kornkammern befand sich immer noch reichlich Getreide.
Es gab keine Anzeichen von Krankheit. Ich glaube
inzwischen, dass sie alle einander getötet haben – Eltern
haben Kinder getötet; Kinder haben Eltern getötet.«
»Aber wie können Sie das wissen?«
»Sehen Sie diesen quadratischen Bereich am Rand des
Dorfes?« Sabrina zeigte auf ein Gelände auf einer Karte,
die größer war als die von Alaric. »Das ist das Gebiet, das
wir das Feld der bestraften Jungfrauen nennen. Es ist der
einzige Ort, an dem es echte, sorgfältig angelegte Gräber
gibt, also muss er in der Frühzeit dessen geschaffen
worden sein, was sich zu einem Krieg entwickelte. Später
gab es keine Zeit mehr f?r S?rge ? oder niemanden, der
sich darum scherte. Bisher haben wir zweiundzwanzig
weibliche Kinder ausgegraben ? das ?lteste ein Teenager
kurz vor seinem zwanzigsten Geburtstag.?
»Zweiundzwanzig Mädchen? Nur Mädchen?«
»In diesem Gebiet, ja. Jungen waren später dran, als keine
Särge mehr gemacht wurden. Sie sind nicht genauso gut
erhalten, weil die Häuser al e niedergebrannt oder
eingestürzt sind, und sie waren den Elementen
preisgegeben. Die Mädchen aber waren sorgfältig und
manchmal kunstvol begraben worden; aber die Spuren auf
ihren Körpern weisen darauf hin, dass sie irgendwann kurz
vor ihrem Tod harten körperlichen Strafen ausgesetzt
waren. Und es waren ihnen Pföcke durchs Herz getrieben
worden.«
Bonnies Finger flogen zu ihren Augen, als wol e sie eine
schreckliche Vision abwehren. Elena beobachtete Alaric
und Sabrina mit grimmiger Miene.
Alaric schluckte. »Sie sind gepfählt worden?«, fragte er
unbehaglich.
»Ja. Nun, ich weiß, was Sie denken werden. Aber Japan
kennt keine Vampirtradition. Kitsune – Füchse – sind
wahrscheinlich das, was ihnen in der einheimischen
Überlieferung am nächsten kommt.«
Jetzt schwebten Elena und Bonnie direkt über der Karte.
»Und trinken Kitsunes Blut?«
»Nur Kitsune. Die japanische Sprache hat eine
interessante Art, den Plural auszudrücken. Aber um Ihre
Frage zu beantworten: nein. Sie sind legendäre Trickster,
Betrüger, zu deren Missetaten es zählt, Besitz von
Mädchen und Frauen zu ergreifen und M?nner in ihr Verh?
ngnis zu f?hren ? zum Beispiel in Moore und so weiter.
Aber hier ? nun, sie k?nnen es beinahe lesen wie ein
Buch.?
»Sie lassen es wie eines klingen. Aber es ist kein Buch,
das ich zum Vergnügen in die Hand nehmen würde«,
erwiderte Alaric, und sie lächelten beide trostlos.
»Also, um mit dem Buch fortzufahren, es scheint, dass
diese Krankheit, übertragen von den Kitsune, schließlich
auf al e Kinder in der Stadt übergegriffen hat. Es gab
tödliche Kämpfe. Die Eltern konnten offensichtlich nicht
einmal die Fischerboote erreichen, mit denen sie viel eicht
von der Insel hätten entkommen können.«
Elena …
Ich weiß. Zumindest ist Fell’s Church keine Insel.
»Und dann ist da noch das, was wir im Schrein des Ortes
»Und dann ist da noch das, was wir im Schrein des Ortes
gefunden haben. Ich kann es Ihnen zeigen – es ist das,
wofür Ronald Argyl gestorben ist.«
Sie standen beide auf und gingen tiefer in das Gebäude
hinein, bis Sabrina neben zwei großen, auf Podesten
ruhenden Urnen aus Ton stehen blieb.
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