Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
kannst du sie al e behalten? Wie
schreibt ihr denn jemals einander?«, platzte sie heraus,
nachdem sie die komplizierten Symbole gesehen hatte, die
sich nur durch wenige Linien unterschieden.
»Mit Wörterbüchern«, erklärte Isobel und lachte zum ersten
Mal ein wenig. »Nein, ich meine es ernst – wenn du einen
sehr f?rmlichen Brief zu schreiben hast, benutzt du dann
nicht auch ein Wortschatzhandbuch und ein
Rechtschreibw?rterbuch ??
»Die brauche ich für alles, was ich schreibe!«, erwiderte
Meredith lachend.
Es war ein schöner Augenblick – sie beide waren so
entspannt. Und um Isobels Herz stand es anscheinend
doch nicht so schlimm.
Dann eilte Isobel davon, und als sie fort war, starrte
Meredith auf einen kleinen runden feuchten Fleck auf dem
Beifahrersitz. Eine Träne. Aber warum sol te Isobel
weinen?
Weil es sie an die Malach erinnerte oder an Jim?
Weil mehrere plastische Operationen notwendig waren,
bevor an ihren Ohren wieder Fleisch sein würde?
Keine Antwort, die Meredith einfiel, ergab einen Sinn. Und
sie musste sich beeilen, um endlich zu ihren Eltern zu
kommen.
Erst da wurde Meredith eine Tatsache mit vol er Wucht
bewusst.
Die Familie Saitou wusste, dass Meredith, Matt und
Bonnie Freunde waren. Aber keiner von ihnen hatte sich
nach Bonnie oder Matt erkundigt.
Seltsam.
Wenn sie nur gewusst hätte, um wie vieles seltsamer ihr
Besuch bei ihrer eigenen Familie ausfal en würde …
KAPITEL ZWANZIG
Meredith fand ihre Eltern im Al gemeinen witzig und
unbedarft und lieb. Sie waren furchtbar ernst in Bezug auf
lauter falsche Dinge wie: »Sieh zu, Schätzchen, dass du
Alaric wirklich kennenlernst, bevor – bevor …« Meredith
hatte nicht die geringsten Zweifel an Alaric, aber er war
auch einer dieser unbedarften, lieben, zuvorkommenden
Menschen, die meist nur um den heißen Brei
herumredeten, ohne auf den Punkt zu kommen.
Heute sah sie zu ihrer Überraschung, dass vor dem Haus
ihrer Eltern und Vorfahren nicht wie sonst eine Vielzahl von
Autos stand. Viel eicht mussten die Leute zu Hause
bleiben, um diese Sache mit ihren Kindern auszutragen. Im
vol en Bewusstsein, wie wichtig die Dinge waren, die Isobel
ihr gegeben hatte, schloss sie den Wagen sorgfältig ab
und drückte dann auf die Klingel.
Janet, die Haushälterin, schien erfreut, sie zu sehen, wirkte
jedoch nervös. Aha, dachte Meredith, sie haben
herausgefunden, dass ihr einziges, pflichtbewusstes Kind
den Dachboden geplündert hat. Viel eicht wol ten sie den
Stab zurückhaben. Viel eicht hätte ich ihn in der Pension
lassen sol en.
Aber sie begriff erst, dass die Situation wirklich ernst war,
als sie ins Wohnzimmer kam und den großen
Fernsehsessel, den Thron ihres Vaters, verwaist sah. Ihr
Vater sa? auf der Couch und hielt ihre schluchzende Mutter
im Arm.
Sie hatte den Stab mitgenommen, und als ihre Mutter ihn
sah, brach sie von Neuem in Tränen aus.
»Passt auf«, sagte Meredith, »ihr sol tet das al es nicht so
tragisch nehmen. Ich habe eine ziemlich genaue
Vorstel ung davon, was geschehen ist. Wenn ihr mir
erzählen wol t, was mit Grandma und mir wirklich passiert
ist, ist das eure Angelegenheit. Aber wenn ich auf
irgendeine andere Art und Weise … verseucht … wurde
…«
Sie brach ab. Sie konnte es kaum glauben. Ihr Vater
streckte einen Arm nach ihr aus, als spiele der
einigermaßen schmuddelige Zustand ihrer Kleider keine
Rol e. Langsam und unbehaglich ging sie zu ihm und ließ
es zu, dass er sie trotz seines Armani-Anzugs umarmte.
Ihre Mutter hatte vor sich ein Glas stehen mit etwas, das
wie Cola aussah und fast ausgetrunken war, aber Meredith
hätte darauf gewettet, dass es nicht nur Cola war.
»Wir hatten gehofft, dass dies ein Ort des Friedens wäre«,
begann ihr Vater feierlich. Jeder Satz, den ihr Vater sprach,
war wie eine Rede. Man gewöhnte sich daran. »Wir hätten
uns niemals träumen lassen …« Und dann brach er ab.
Meredith war sprachlos. Ihr Vater brach nicht mitten in einer
Rede ab. Er hielt nicht inne. Und gewiss weinte er nicht.
»Dad! Daddy! Was ist los? Waren Kinder hier in der
Gegend, verrückte Kinder? Haben sie jemanden verletzt?«
»Wir müssen dir die ganze Geschichte erzählen, von
dieser lange vergangenen Zeit«, sagte ihr Vater. Er sprach
mit solcher Verzweiflung, dass es nicht im Mindesten wie
eine Rede klang. ?Als ihr ? al e angegriffen wurdet.?
»Von dem Vampir. Oder von Großvater. Weißt du es?«
Eine lange Pause. Dann
Weitere Kostenlose Bücher