Tagebuch eines Vampirs 7 - Schwarze Mitternacht
flüsterte ihr Vater heiser, »›Sorgt nur
dafür, dass sie einen Teelöffel pro Woche bekommt. Das
heißt, wenn ihr wol t, dass sie lebt. Versucht es mit
Blutwurst.‹ Er hat gelacht.«
Meredith brauchte nicht zu fragen, ob sie auf ihn gehört
hatten. Ihre Familie aß mindestens einmal die Woche
Blutwurst. Sie war damit aufgewachsen. Es war nichts
Besonderes.
»Warum?«, flüsterte sie jetzt mit rauer Stimme. »Warum
hat er mich nicht getötet?«
»Ich weiß es nicht! Wir wissen es immer noch nicht! Dieser
Mann, dessen ganze Brust mit Blut verschmiert war – ob
mit deinem Blut oder dem deines Bruders, wussten wir
nicht! Und dann griff er in der letzten Sekunde nach euch
beiden, aber du hast ihm bis auf die Knochen in die Hand
gebissen«, sagte ihr Vater. »Er hat gelacht – gelacht! –,
während deine Zähne in seinem Fleisch steckten und du
ihn mit deinen kleinen Händen weggestoßen hast, und
dann sagte er: ›Dann werde ich euch die hier einfach
lassen, und ihr könnt euch darum sorgen, in was sie sich
verwandeln wird. Den Jungen nehme ich mit.‹ Und da
schien ich plötzlich aus einer Art Zauber aufzutauchen,
denn ich griff wieder nach dir, bereit, mit ihm um euch
beide zu kämpfen. Aber ich konnte nicht! Sobald ich dich
hatte, konnte ich mich keinen Zentimeter mehr bewegen.
Und er verließ das Haus, immer noch lachend – und nahm
deinen Bruder Cristian mit.«
Meredith dachte nach. Kein Wunder, dass sie an den
Jahrestagen dieses schrecklichen Angriffs keinerlei Art von
Fest veranstalten wol ten. Ihre Großmutter tot, ihr Großvater
auf dem Weg in den Wahnsinn, ihr Bruder verloren, und sie
selbst – was? Kein Wunder, dass sie ihren Geburtstag
eine Woche vor dem eigentlichen Datum feierten.
Meredith versuchte, ruhig zu bleiben. Die Welt brach um sie
herum in Stücke, aber sie musste Ruhe bewahren. Al es,
was bisher geschehen war, hatte sie überlebt, indem sie
Ruhe bewahrte. Ohne auch nur mitzählen zu müssen,
atmete sie durch die Nase ein und durch den Mund aus.
Tiefe, tiefe, reinigende Atemzüge. Besänftigender Friede
überal in ihrem Körper. Nur ein Teil von ihr hörte die
Stimme ihrer Mutter:
»Wir sind in jener Nacht frühzeitig nach Hause gekommen,
weil ich Kopfschmerzen hatte …«
»Scht, querida …«, begann ihr Vater.
»Wir sind früh nach Hause gekommen«, heulte ihre Mutter.
»O Virgen Bendecida, was hätten wir vorgefunden, wären
wir später gekommen? Wir hätten auch dich verloren! Mein
Baby! Mein Baby mit Blut auf den Lippen …«
»Aber wir sind früh genug nach Hause gekommen, um sie
zu retten«, sagte Meredith’ Vater heiser, als versuche er,
ihre Mutter aus einem Zauber zu wecken.
»Ah, gracias, Princesa Divina, Virgen pura y impoluto …«
Ihre Mutter schien nicht aufhören zu können zu weinen.
»Daddy«, sagte Meredith drängend; sie litt Qualen um ihre
Mutter, brauchte jedoch verzweifelt Informationen. »Hast du
ihn je wiedergesehen? Oder etwas von ihm gehört ? Von
meinem Bruder, Cristian?«
»Ja«, antwortete ihr Vater. »Oh ja, wir haben etwas
gesehen. «
Ihre Mutter schnappte nach Luft. »’Nando, nein!«
»Irgendwann muss sie die Wahrheit erfahren«, erklärte ihr
Vater. Er stöberte zwischen einigen Aktenordnern auf dem
Schreibtisch. »Hier!«, sagte er zu Meredith. »Sieh dir das
an.«
Meredith starrte es in abgrundtiefer Ungläubigkeit an.
In der Dunklen Dimension schloss Bonnie die Augen. Es
ging ein starker Wind vor dem Fenster, hoch oben vor dem
hohen Gebäude. Das war al es, was sie denken konnte, als
sie aus dem Fenster gehalten – und wieder zurückgezogen
wurde und der Oger lachte und Shinichi mit seiner
schrecklichen Stimme sagte: »Du glaubst doch nicht
wirklich, dass wir dich gehen lassen würden, ohne dich
gründlich zu befragen?«
Bonnie hörte die Worte, doch sie ergaben keinen Sinn.
Und dann taten sie es plötzlich doch. Ihre Peiniger würden
ihr wehtun. Sie würden sie foltern. Sie würden ihr ihre
Tapferkeit nehmen.
Sie glaubte, dass sie ihn anschrie. Doch al es, was sie
wusste, war, dass hinter ihr eine leichte Explosion von Hitze
zu spüren war. Und dann war da – unglaublicherweise –
ausstaffiert mit einem Umhang vol er Abzeichen, die ihn
aussehen ließen wie einen Prinzen in Uniform: Damon.
Er war so spät gekommen – sie hatte ihn schon vor langer
Zeit aufgegeben. Aber jetzt ließ er für den Bruchteil einer
Sekunde ein strahlendes Lächeln in Shinichis
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