Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
Nebel, und das Phantom packte ihn mit einer Hand und riss
Meredith zu Damon herum. Die beiden prallten gegeneinander und
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stürzten schwer zu Boden. Das Phantom, noch immer durch Mrs Flowers’
Zauber leicht beeinträchtigt, versuchte sich ihnen zu nähern.
»Ich habe Meredith um ihren Verstand beneidet!«, schrie Bonnie plötz-
lich. Ihr Gesicht war fleckig von Rauch und Tränen, und sie sah unglaub-
lich klein und zerbrechlich aus, aber sie stand aufrecht und stolz da und
brüllte aus Leibeskräften. »Ich weiß, dass ich auch auf dem College
niemals so gut sein werde wie sie, aber das ist in Ordnung. Ich weise meine
Eifersucht von mir!«
Die Rose des Phantoms verblasste für einen Moment wieder zu dunklem
Rosa, und die Eifersucht taumelte kaum merklich. Sie sah Bonnie an und
zischte. Dieses Zögern nutzte Damon, um aufzuspringen. Er trat vor
Meredith hin und schirmte sie ab, während sie sich ebenfalls aufrappelte.
Ohne einander anzusehen, begannen Meredith und Damon wieder in ent-
gegengesetzte Richtungen zu kreiseln. »Ich war eifersüchtig, weil meine
Freunde mehr Geld hatten als ich!«, rief Matt. »Aber ich weise meine
Eifersucht von mir!«
»Ich beneidete Alaric darum, dass er aufrichtig an unbewiesene Dinge
geglaubt und damit recht behalten hat!«, schrie Sabrina. »Aber ich weise
meine Eifersucht von mir!«
»Ich habe Elena um ihre Kleider beneidet!«, rief Bonnie. »Ich bin für
vieles einfach zu klein, um darin gut auszusehen! Aber ich weise die Eifer-
sucht von mir!«
Damon trat nach dem Phantom und zog sein schwelendes Bein schnell
wieder zurück. Meredith schwang ihren Stab. Mrs Flowers intonierte weit-
erhin etwas auf Lateinisch, und Alaric schloss sich ihr an. Seine leise
Stimme war wie ein Kontrapunkt zu ihrer, und er verstärkte ihren Zauber.
Bonnie, Sabrina und Matt schrien weiter: Sie nannten all die kleinen Eifer-
süchteleien und Kränkungen, die ihnen wohl für gewöhnlich kaum be-
wusst waren, und sie wiesen ein ums andere Mal die Eifersucht von sich.
Und zum ersten Mal wirkte das Phantom … verwirrt. Es drehte langsam
den Kopf von einem seiner Widersacher zum anderen: Damon, der mit er-
hobener Faust auf das Phantom zustolzierte; Meredith, die ihren Stab so
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sicher schwang, während sie die Kreatur mit einem kühlen, abschätzenden
Blick beobachtete; Alaric und Mrs Flowers, die mit erhobenen Händen
eine Abfolge lateinischer Worte zitierten; Bonnie, Matt und Sabrina, die
Geständnisse brüllten, als würden sie das Phantom mit Steinen bewerfen.
Die glasigen Augen der Eifersucht glitten über Elena hinweg, ohne sie
wirklich wahrzunehmen: Mitten in diesem Chaos stellte die stille und re-
glose Elena keine Bedrohung dar.
Das war ihre Chance. Elena nahm all ihren Mut zusammen, bewegte
sich vorwärts – und erstarrte, als das Phantom sich zu ihr umdrehte.
Doch dann war wie durch ein Wunder Stefano wieder da. Er griff das
Phantom von hinten an und schlang einen Arm um seinen Hals, während
die Flammen an ihm emporzüngelten. Sein Hemd fing Feuer. Das
Phantom war für einen Augenblick schutzlos.
Ohne zu zögern, stieß Elena die Hand in die Flammen.
Für einen Moment spürte sie die Hitze kaum, nur eine sanfte, beinahe
kühle Berührung auf ihrer Hand, als die Flammen um sie herumzüngelten.
Gar nicht so schlimm, dachte sie gerade noch, bevor sie den Schmerz
spürte.
Er war rein und qualvoll, und ein dunkles Feuerwerk ging hinter ihren
Augen los. Es kostete sie eine höllisch schmerzvolle Überwindung, die
Hand nicht sofort wieder aus dem Feuer herauszuziehen. Doch stattdessen
tastete sie die Brust des Phantoms nach dem Schnitt ab, den Meredith ihm
zugefügt hatte. Es fühlte sich schlüpfrig und glatt an, und Elena tastete
weiter. Wo ist er? Wo ist er?
Damon hatte sich jetzt neben Stefano in die Flammen geworfen und zer-
rte an den Armen und dem Hals des Phantoms, damit es weder seine Brust
schützen noch Elena wegschleudern konnte. Meredith schlug von der Seite
auf die Eifersucht ein. Hinter ihr erhoben sich die Stimmen ihrer Freunde
in einem wilden Gewirr von Zaubersprüchen und Geständnissen, um das
Phantom weiter zu schwächen.
Endlich fand Elena die Schnittwunde und schob ihre Hand hinein. In
der Brust des Phantoms war es eiskalt, und Elena heulte vor Schmerz auf –
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nach der unsäglichen Hitze verursachte ihr die Kälte eine furchtbare Qual,
während die Flammen noch immer an ihrem Handgelenk und
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