Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
ein leises, unwillkür-
liches Wimmern aus.
»Trink«, verlangte Damon ungeduldig. »Lass mich das in Ordnung
bringen, bevor sie kommen und dich ins Krankenhaus schleppen.« Elena
zögerte noch immer, und Damon seufzte und wandte sich wieder an Ste-
fano. »Hör mal«, sagte er, und seine Stimme wurde sanfter, »es geht nicht
immer um Macht. Manchmal geht es beim Blut nur darum, sich um je-
manden zu kümmern.«
»Das weiß ich«, erwiderte Stefano und blinzelte ihn müde an. »Ich war
mir nur nicht sicher, ob du es auch weißt.«
Damon verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ich bin ein alter
Mann, kleiner Bruder«, gab er zurück. »Ich weiß eine Menge Dinge.« Er
wandte sich wieder zu Elena um. »Trink jetzt«, beharrte er, und Stefano
lächelte sie beruhigend an.
Elena nickte Stefano zu, bevor sie den Mund fest auf Damons Hals
drückte. Sobald sie sein Blut schmeckte, wurde sie von Wärme umhüllt,
und das Pochen in ihrer Hand verebbte. Sie spürte nicht länger das unan-
genehme, kalte Trommeln des Regens auf ihrem Kopf und ihren
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Schultern, das eisige Rinnsal von Wasser, das ihr über den Körper lief. Sie
hatte es bequem, sie fühlte sich sicher und wurde geliebt und kam allmäh-
lich wieder zu Atem.
Damon?, dachte sie und griff mit ihrem Geist in seinen. Er antwortete
ihr ohne Worte, aber mit einer Welle von Zuneigung und Anteilnahme,
von Liebe, die nichts verlangte. Durch den Nebel begriff Elena, dass hier
etwas Neues war …
Wenn sie und Damon einander in der Vergangenheit im Geiste berührt
hatten, hatte sie oft gespürt, dass Damon einen Teil seiner selbst zurück-
hielt. Und hinter seiner inneren Barriere, die er gegen Eindringlinge
errichtet hatte, hatte sie Verletztheit und Zorn vorgefunden, ein ver-
lorenes, an einen großen Stein gekettetes Kind.
Doch jetzt spürte Elena nur Liebe und Frieden, während sie und Damon
miteinander verschmolzen. Als sie sich endlich von ihm zurückzog,
brauchte sie einen Moment, um die reale Welt wahrzunehmen. Stefano
war nicht länger bei ihnen. Es regnete immer noch, und kaltes Wasser
floss über ihr Haar, ihre Schultern, ihren Hals, ihre Arme und ihren Körp-
er. Ihre Hand schmerzte und zeigte immer noch schlimme Brandwunden,
aber sie war so weit verheilt, dass Elena nur noch Salbe und einen Verband
brauchte und keine Operation.
Mit heulenden Sirenen bogen nun einige Feuerwehrautos und Streifen-
wagen in die Einfahrt. Sie sah, wie Meredith in der Nähe der Garage ab-
rupt Stefanos Arm losließ, und Elena wurde klar, dass Meredith von
seinem Handgelenk getrunken hatte.
Vage begriff sie, dass sie nur wenige Stunden zuvor darüber schockiert
gewesen wäre – sie hätte angenommen, dass Meredith davor zurücks-
chrecken würde, das Blut irgendeines Vampirs anzurühren; und Stefano
hatte sein Blut immer für Elena reserviert, als Teil ihrer besonderen Ver-
bindung. Aber jetzt konnte sie gar kein schockiertes Gefühl mehr
entwickeln.
Es war, als seien innerhalb der Clique alle Barrieren eingestürzt, als
gäbe es zwischen den Freunden keine Tabus mehr. Egal ob dieser neue
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Zustand von Dauer sein würde oder nicht – für den Moment waren sie alle
eins. Sie hatten einander in ihre tiefsten inneren Abgründe gesehen. Sie
hatten die Wahrheit gesagt. Und sie hatten den Sieg davongetragen. Und
wenn Meredith oder irgendwer sonst jetzt geheilt werden musste, gab Ste-
fano natürlich sein Blut.
Die Feuerwehrmänner sprangen von ihren Wagen und entrollten die
Schläuche. Während sie ihre Aufmerksamkeit darauf richteten, das Feuer
zu löschen, gingen zwei uniformierte Polizeibeamte und ein Mann, der der
Feuerwehrhauptmann sein musste, entschlossen auf Mrs Flowers, Matt,
Alaric, Sabrina und Bonnie zu, die sich jetzt alle in Mrs Flowers’ Oldtimer
gezwängt hatten. Meredith und Stefano gingen ebenfalls zu ihnen hinüber.
»Warum haben sie ihr nicht ins Haus geholfen?«, fragte Elena sich
plötzlich laut, und Damon sah sie überrascht an.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete er langsam. »Mir ist überhaupt
nicht in den Sinn gekommen, dass wir ins Haus gehen könnten. Ich
schätze, alle hatten das Gefühl, von hier draußen das Feuer im Blick behal-
ten zu müssen – um sich davon zu überzeugen, dass das Phantom nicht
mehr herauskommt.«
»Es ist, als wären wir am Ende der Welt«, dachte Elena laut. »Die Pen-
sion schien so weit entfernt von allem, als wäre sie einfach kein Teil
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