Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
ihm zu erzählen?«
Meredith sah ihn jetzt direkt an. Ihre Gesichtszüge waren immer noch
angespannt, aber ihre Augen leuchteten schelmisch. »Aggressiv?«, fragte
sie honigsüß und nahm wieder Tigerhaltung ein. Matt spürte, wie ein
Lächeln an seinen Mundwinkeln zupfte. »Das war noch gar nichts.«
Elena sah sich in dem Restaurant, das Judith für den Mädelsabend ausge-
sucht hatte, mit einer Art entsetzter Heiterkeit um. Altmodische, piepende
Videospiel-Maschinenungetüme wetteiferten mit mindestens ebenso alt-
modischen Spielautomaten wie Whac-A-Mole und Skee-Ball um die Gunst
der Kunden. Über jedem Tisch tanzten leuchtend bunte Luftballonsträuße,
und aus den verschiedenen Ecken drangen die unterschiedlichsten Lieder
aus den Mündern der singenden Kellner, während sie Pizza um Pizza ser-
vierten. Unzählige Kinder, es schienen Hunderte zu sein, rannten kreis-
chend und lachend umher.
Stefano hatte sie zum Restaurant begleitet, sich dann aber geweigert,
mit hineinzukommen, nachdem er nur einen kurzen Blick auf dieses ganze
Chaos geworfen hatte.
»Ach, ich störe doch nur bei eurem Mädelsabend«, hatte er vage be-
merkt und war dann so schnell verschwunden, dass Elena ihn der Nutzung
seiner Vampirkräfte verdächtigte.
»Verräter«, hatte sie gemurmelt, bevor sie argwöhnisch die leuchtend
pinkfarbene Tür geöffnet hatte. Nach ihrer gemeinsamen Zeit auf dem
Friedhof fühlte sie sich stärker und glücklicher, aber hier hätte sie doch
gern ein wenig Unterstützung gehabt.
»Willkommen in Happytown«, zirpte eine Platzanweiserin unnatürlich
fröhlich. »Einen Tisch für eine Person, oder kommen Sie zu einer Party?«
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Elena unterdrückte ein Schaudern. Sie konnte sich kaum vorstellen,
dass tatsächlich irgendjemand ein solches Lokal allein aufsuchen wollte.
»Ich glaube, ich habe meine Leute schon gefunden«, erwiderte sie höflich,
als sie Tante Judith erblickte, die ihr aus einer Ecke zuwinkte.
»Ist das deine Vorstellung von einem amüsanten Mädelsabend, Tante
Judith?«, fragte sie, als sie den Tisch erreichte. »Ich hatte eher an so was
wie ein gemütliches Bistro gedacht.«
Tante Judith deutete mit dem Kopf auf die andere Seite des Raums.
Elena schaute hinüber und entdeckte Margaret, die voller Wonne mit
einem Holzhammer auf Stoffmaulwürfe eindrosch.
»Wir schleppen Margaret immer in Erwachsenenlokale mit und er-
warten, dass sie sich anständig benimmt«, erklärte Tante Judith. »Ich
fand es an der Zeit, dass wir uns mal nach ihr richten, damit sie ihren Spaß
hat. Ich hoffe, Bonnie und Meredith haben nichts dagegen.«
»Sieht ganz so aus, als hätte sie Spaß«, antwortete Elena und be-
trachtete ihre kleine Schwester. Angespannt erinnerte sie sich an all das,
was Margaret im vergangenen Jahr durchgemacht hatte: Da waren Elenas
Streitigkeiten mit Judith und Robert, die Margaret im letzten Herbst
aufgeregt hatten, und dann die mysteriösen Geschehnisse in Fell’s Church.
Und nach Elenas Tod war sie am Boden zerstört gewesen. Elena hatte sie
einmal durchs Fenster beobachtet und schluchzen sehen. Sie hatte mehr
gelitten, als es für ein kleines Mädchen gut war, selbst wenn sie sich jetzt
an nichts mehr davon erinnerte.
Ich werde auf dich aufpassen, Margaret, versprach Elena stumm und
entschlossen und beobachtete die eifrige Konzentration, mit der sich ihre
Schwester dem altmodischen Jahrmarktvergnügen widmete. So etwas
sollst du nie mehr erleben müssen. Nicht auf dieser Welt.
»Wir warten auf Bonnie und Meredith, oder?«, fragte Tante Judith sanft
und riss Elena aus ihren Gedanken. »Du hast sie doch eingeladen?«
»Oh«, sagte Elena und griff sich eine Handvoll Popcorn aus dem Korb,
der mitten auf dem Tisch stand. »Meredith habe ich nicht erreicht, aber
Bonnie kommt. Ihr wird es hier gefallen.«
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»Mir gefällt es absolut und total«, pflichtete ihr eine Stimme bei. Elena
drehte sich um und sah Bonnies seidige, rote Locken. »Vor allem der Aus-
druck auf deinem Gesicht, Elena.« Bonnies große braune Augen tanzten
vor Vergnügen. Sie und Elena tauschten einen Blick, der besagte: Wir sind
wieder da! Wir sind wieder da, und sie haben getan, was sie versprochen
haben, und Fell’s Church ist wieder so, wie es sein sollte. Das konnten sie
vor Tante Judith natürlich nicht laut aussprechen, und so fielen sie ein-
ander in stummem Einverständnis in die Arme.
Elena drückte Bonnie fest, und Bonnie vergrub das Gesicht
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