Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
zu und ließ sich dann neben ihn auf
die Matte sinken. »Tut mit leid. Schätze, ich hab mich einfach mitreißen
lassen. Ich habe noch nie zuvor mit einem Freund gekämpft.«
Matt nahm einen großen Schluck, sah sich um und schüttelte den Kopf.
»Wie hast du dieses Goldstück nur so lange geheim halten können?« Der
Keller ihres Elternhauses war zu einem perfekten Kampfsportstudio
umgebaut worden: an den Wänden hingen verschiedene Wurfsterne,
Messer, Schwerter und Stäbe; in einer Ecke war zwischen Boden und
Decke ein Punchingball eingespannt, und in einer anderen lehnte ein ge-
polsterter Dummy. Der Boden war mit Matten ausgelegt und eine Wand
vollkommen verspiegelt. In der Mitte der gegenüberliegenden Wand hing
der Stab: eine spezielle Waffe, um gegen übernatürliche Erscheinungen al-
ler Art zu kämpfen. Er war in Meredith’ Familie von einer Generationen an
die nächste weitervererbt worden. Der Kampfstab war ebenso elegant wie
tödlich – während der Griff in der Mitte mit Edelsteinverzierungen
geschmückt war, ragten aus den spitzen Eisenholzenden zu beiden Seiten
giftgetränkte Dornen aus Silber, Eisen, Eschenholz und anderen Materiali-
en. Matt beäugte die Waffe mit gehörigem Respekt.
»Nun«, sagte Meredith und erhob sich wieder, »die Familie Suarez hat
sich immer gut darauf verstanden, Geheimnisse zu hüten.« Sie begann
einen
Taekwondo-
Formenlauf:
Rückwärtsstellung,
doppelter
Handkantenblock, linke Kampfstellung, umgedrehter Fauststoß. Dabei
war sie in ihrer Trainingskleidung so anmutig wie eine schlanke, schwarze
Katze.
Nach einer Verschnaufpause verschloss Matt seine Wasserflasche
wieder, rappelte sich hoch und begann, ihre Bewegungen nachzuahmen.
Linker doppelter Vorwärtstritt, linker Seitwärtsblock, doppelter Fauststoß.
Er wusste, dass er einen halben Herzschlag hinterherhinkte und fühlte
sich neben ihr ungelenk und unbeholfen, aber er gab sich Mühe und
konzentrierte sich. Er war immer ein guter Sportler gewesen und würde
sich nicht so leicht geschlagen geben.
36/328
»Außerdem habe ich meine Dates zum Schulball auch nicht gerade mit
hierher gebracht«, bemerkte Meredith nach einem weiteren Lauf halb
lächelnd. »Es war also nicht so schwer, den Keller zu verstecken.« Sie beo-
bachtete Matt im Spiegel. »Nein, blocke mit der linken Hand etwas tiefer
und mit der rechten Hand höher, so.« Sie zeigte es ihm noch einmal, und
er machte es ihr nach.
»Okay, alles klar«, sagte er und konzentrierte sich jetzt vor allem auf
seine Bewegungen und weniger auf seine Worte. »Aber du hättest uns dav-
on erzählen können. Wir sind deine besten Freunde.« Er schob den linken
Fuß vorwärts und ahmte Meredith’ mit dem Ellbogen nach hinten ge-
führten Schlag nach. »Zumindest hättest du es uns nach der ganzen Sache
mit Nicolaus und Catarina erzählen können«, räumte er ein. »Vorher hät-
ten wir dich wahrscheinlich für verrückt gehalten.«
Meredith zuckte die Achseln und ließ die Hände sinken, und Matt folgte
ihrem Beispiel, bevor er begriff, dass diese Gesten nicht Teil der
Taekwondo-Übung waren.
Jetzt standen sie Seite an Seite und starrten einander im Spiegel an.
Meredith’ kühles, elegantes Gesicht wirkte blass und erschöpft. »Mir ist
von klein auf eingeschärft worden, mein Erbe als Jägerin als ein tiefes,
dunkles Geheimnis zu hüten«, sagte sie. »Es kam nicht infrage, davon
überhaupt irgendjemandem zu erzählen. Nicht einmal Alaric weiß davon.«
Matt wandte sich von Meredith’ Spiegelbild ab, um sie direkt anzustar-
ren. Alaric und Meredith waren praktisch verlobt. So ernst war es Matt mit
noch keinem Mädchen gewesen – diejenige, die ihm am meisten bedeutet
hatte, war Elena, und das hatte offensichtlich nicht funktioniert –, aber er
hatte sich immer vorgestellt, dass man jemandem, dem sein Herz gehörte,
alles erzählte.
»Beschäftigt sich Alaric nicht mit Parapsychologie? Meinst du nicht, er
würde es verstehen?«
Stirnrunzelnd zuckte Meredith erneut die Achseln. »Wahrscheinlich«,
antwortete sie und klang dabei etwas verärgert, »aber ich will nicht etwas
sein, das er studiert oder erforscht. Und ebenso wenig will ich, dass er
37/328
ausflippt. Aber da du und die anderen es jetzt wisst, werde ich es ihm wohl
erzählen müssen.«
»Hmm.« Matt rieb sich noch einmal seine schmerzende Seite. »Ist das
der Grund, warum du mich so aggressiv angegangen bist? Weil du Angst
davor hast, es
Weitere Kostenlose Bücher