Tagebuch eines Vampirs 8 - Jagd im Abendrot
an die Kitsune und an
die Mädchen, die sie in den Wahnsinn getrieben hatten. Aber dann grinste
Margaret verschmitzt, stand schnell auf und ließ den Tiger sich an Elenas
Arm schmiegen.
Es klingelte an der Tür. Elena stopfte sich den letzten Bissen Waffel in
den Mund. »Das ist Stefano«, murmelte sie. »Wir sehen uns später.« Sie
wischte sich die Lippen ab und überprüfte im Spiegel des Flurs ihr Haar,
bevor sie die Tür öffnete.
Und da stand Stefano, so gut aussehend wie immer: elegante, römische
Züge, hohe Wangenknochen, eine klassische gerade Nase, ein sinnlicher
Mund. Er hielt seine Sonnenbrille lose in einer Hand und seine juwelgrün-
en Augen blickten voller Liebe in ihre. Unwillkürlich zauberte sich ein
breites Lächeln auf Elenas Züge.
Oh, Stefano, sandte sie ihm ihre Gedankenbotschaft, ich liebe dich. Ich
liebe dich! Es ist so wunderbar, wieder zu Hause zu sein. Ich kann zwar
nicht aufhören, daran zu denken, dass Damon fort ist, und ich vermisse
ihn und wünsche mir, wir hätten irgendetwas anders machen und ihn
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retten können – und ich würde auch gar nicht aufhören wollen, an ihn zu
denken, aber zugleich kann ich auch nicht anders, als glücklich zu sein.
Moment. Plötzlich fühlte sie sich, als wäre sie hart auf die Bremse
gestiegen und gegen einen Sicherheitsgurt geschleudert worden.
Denn obwohl Elena die Worte aussandte und mit ihnen eine gewaltige
Welle von Zuneigung und Liebe, kam von Stefano keine Reaktion, keine
Erwiderung ihrer Gefühle. Als sei da eine unsichtbare Mauer zwischen ihr
und Stefano, die verhinderte, dass ihre Gedanken ihn erreichten.
»Elena?«, fragte Stefano laut, und sein Lächeln geriet ins Wanken.
Oh. Da dämmerte ihr etwas, worüber sie bis jetzt noch nicht einmal
nachgedacht hatte.
Als die Wächter ihr ihre Kräfte genommen hatten, mussten sie alles gen-
ommen haben. Einschließlich ihrer telepathischen Verbindung zu Stefano.
Diese hatte zwar noch eine Weile gehalten nach ihrer Ankunft hier …
Elena konnte ihn noch hören und seinen Geist erreichen, als sie schon
längst keine Verbindung mehr zu Bonnie hatte. Aber jetzt war auch das
telepathische Band zu ihm vollkommen zerstört.
Sie beugte sich vor, packte sein Hemd, zog ihn an sich und küsste ihn
entschlossen.
Oh, Gott sei Dank, dachte sie. Da war es, das vertraute, tröstende Ge-
fühl, als ihr Geist sich mit dem Stefanos verband. Stefanos Lippen verzo-
gen sich unter ihren zu einem Lächeln.
Ich dachte schon, ich hätte dich verloren, sandte sie ihm, und könnte
dich auch auf diese Weise nicht mehr erreichen. Sie wusste, dass ihre
Gedanken bei Stefano nun zwar nicht mehr als Worte ankamen, wie über
ihre frühere telepathische Verbindung, aber als Bilder und Gefühle. Im Ge-
genzug spürte sie von ihm einen wortlosen, stetigen Strom unerschütter-
licher Liebe.
Da räusperte sich hinter ihnen jemand. Elena ließ Stefano wider-
strebend los und drehte sich um. Tante Judith beobachtete sie.
Stefano richtete sich mit verlegen erröteten Wangen auf, einen Hauch
von Furcht in den Augen. Elena grinste. Es war einfach zu komisch: Da
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war er durch die Hölle gegangen – buchstäblich –, und hatte tatsächlich
immer noch Angst davor, Elenas Tante zu verärgern. Sie legte ihm beruhi-
gend eine Hand auf den Arm, um ihm zu signalisieren, dass Tante Judith
ihre Beziehung jetzt akzeptierte. Aber das herzliche Lächeln und die
Begrüßung ihrer Tante sprachen bereits für sich.
»Hallo, Stefano, schön dich zu sehen!« Dann wandte sie sich an Elena:
»Meinst du, du wirst bis sechs zurück sein? Robert hat nämlich noch eine
überraschende Sitzung am Abend, also dachte ich, dass du, Margaret und
ich vielleicht zu einem Mädelsabend ausgehen könnten.« Sie wirkte
hoffnungsvoll und zögerlich zugleich, wie jemand, der an eine Tür klopfte
und damit rechnete, dass sie ihm vor der Nase zugeschlagen werden kön-
nte. Schuldgefühle krampften Elenas Magen zusammen. Bin ich Tante
Judith in diesem Sommer aus dem Weg gegangen?
Sie konnte sich gut vorstellen, dass sie – wäre sie nicht gestorben – von
ihrer Familie vielleicht genervt gewesen wäre, die sie am liebsten zu Hause
wissen wollte. Aber nach allem, was Elena durchgemacht hatte, wusste sie,
wie viel Glück es bedeutete, Tante Judith und Robert zu haben. Und wie es
schien, hatte Elena eine Menge wiedergutzumachen.
»Klingt nach jede Menge Spaß!«, rief sie fröhlich und setzte ein
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