Tagebuch eines Vampirs - Jagd im Morgengrauen
Nacht erhob.
Bonnie starrte aus dem Fenster von Zanders Wohnheimzimmer. Es war eine lange Nacht gewesen, und jetzt brach die Dämmerung heran, rosa und golden über dem Campus. Vor über einer Stunde war Bonnie herübergekommen, nachdem Zander sie angerufen hatte, um ihr zu sagen, dass er sie brauche. Und kaum war Bonnie da, hatte Zander sie in die Arme genommen und fest an sich gedrückt, seine Augen zusammengepresst, als blocke er in diesem Moment alles andere ab.
Inzwischen war der Rest des Rudels gegangen, und Shay und Zander beugten sich über die Karteikarten auf Zanders Schreibtisch, auf denen sie Schlachtpläne zeichneten.
»T ristan ist nicht so stark, wie er sein sollte«, bemerkte Shay. »W enn wir ihn von Enrique und Jared flankieren lassen, können sie seine schwache linke Vorderpfote ausgleichen.«
Zander gab einen leisen, nachdenklichen Laut von sich. »T ristan hat sich zu Beginn des Jahres eine Sehne gezerrt, aber ich dachte, das sei fast verheilt. Ich werde mit ihm arbeiten, um ihn wieder auf Vordermann zu bringen.«
»B is dahin müssen wir sicherstellen, dass er beschützt wird«, erklärte Shay. »M arcus ist stark, aber ein wenig zu zögerlich. Was sollen wir deswegen unternehmen?«
Vor den jüngsten Ereignissen hatte Bonnie nicht recht verstanden, was es bedeutete, dass Zander das Alphatier war. Das Rudel hatte heute Nacht um Chad getrauert, zuerst als Wölfe und dann, als der Mond untergegangen war, in Menschengestalt. Die Wölfe hatten ein klagendes Heulen ausgestoßen, die Menschen hatten Ansprachen gehalten und Tränen vergossen bei der Erinnerung an ihren Freund. Und währenddessen hatte Zander das Kommando übernommen, hatte seine Freunde angeleitet und sie durch ihre Trauer geführt.
Und jetzt, da die Nacht vorüber war, entwarfen er und Shay Strategien, wie sie das Rudel in Zukunft besser beschützen konnten. Sie waren immer auf das Wohl ihres Rudels konzentriert.
Bonnie begriff nun, warum der Hohe Wolfsrat Shay zum Alphaweibchen für Zander erwählt hatte, zu seiner Gefährtin und Partnerin.
Als Zander aufstand, drehte Bonnie sich vom Fenster um. »O kay.« Er rieb sich die Augen. »L ass uns für heute Schluss machen. Wir werden die Jungs am Nachmittag zusammentrommeln und sehen, wie es ihnen geht.«
»I ch werde dich in einigen Stunden anrufen, wenn ich wieder wach bin«, sagte Shay und erhob sich ebenfalls. Sie umarmten einander und Shay klammerte sich für einen Moment an ihn. Dann löste sie sich von Zander und bedachte Bonnie mit einem steifen Nicken. »B is später, Bonnie«, sagte sie kühl.
Als die Tür sich hinter Shay schloss, streckte Zander die Arme nach Bonnie aus. »N a, du«, sagte er und schenkte ihr sein breites, träges Lächeln. Trotz des Schmerzes in seinen Augen war dieses Lächeln einfach umwerfend und Bonnie ging zu ihm und schlang die Arme um ihn.
Aber noch während sie ihn fest an sich gedrückt hielt, fühlte es sich irgendwie nicht ganz richtig an. Zander musste eine gewisse Zurückhaltung in ihr gespürt haben, denn er löste sich etwas von ihr und sah sie mit großen blauen Augen fragend an. »W as ist los?«, fragte er leise. »B ist du okay? Ich weiß, es ist wirklich hart.«
Bonnies Augen brannten, und sie musste Zander mit einer Hand loslassen, damit sie die Tränen abwischen konnte. Das war einfach typisch Zander: Sein Freund war tot, er hatte die Nacht damit verbracht, sein Rudel zu trösten und zu beschützen, und jetzt machte er sich Sorgen darüber, wie es Bonnie ging?
»M ir geht es gut«, beteuerte sie. »I ch bin bloß müde.«
Zander ergriff ihre Hand. »H ey«, murmelte er. »G anz ehrlich, was gibt es? Sag es mir.«
Bonnie seufzte. »I ch liebe dich, Zander«, erwiderte sie leise, dann brach sie ab.
Zanders Augen wurden schmal und er runzelte schwach die Stirn. »U nd warum klingt das nach einem Aber am Ende?«, hakte er nach.
»I ch liebe dich wirklich, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Richtige für dich bin«, meinte Bonnie unglücklich. »I ch sehe dich und Shay zusammen… wie ihr euch umeinander kümmert, Seite an Seite kämpft und gemeinsam für das Rudel sorgt. All das werde ich nie können. Vielleicht hat der Hohe Wolfsrat doch recht und weiß, was du brauchst.«
»D er Hohe Wolfsrat Bonnie, was hat der damit zu tun? Er entscheidet nicht, was ich will«, fuhr Zander fort und erhob die Stimme.
»A ber ich kann dir vielleicht nicht genügen, Zander«, sprach Bonnie weiter. »I ch weiß nicht. Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher