Tagebuch für Nikolas
Arbeiten im Haus beendet, und wir machten eine weitere Ausflugsfahrt.
Zwei Tage später fuhren wir den ganzen Weg bis zur Insel Chappaquiddick. Auf dem Strand stand ein winziges Schild: BITTE NICHT STÖREN, AUCH NICHT DIE VENUSMUSCHELN ODER DIE KAMMMUSCHELN. Hübsch. Wir haben nichts gestört.
Ich weiß, dass es vielleicht dumm klingt, oder noch schlimmer, aber ich war einfach gerne zusammen mit Matt in dem Wagen. Ich schaute ihn an und dachte: Hey, ich bin mit diesem Typen zusammen, und er ist sehr nett. Wir suchen nach Abenteuern. Ich hatte seit langem nicht mehr dieses Gefühl gehabt. Es hatte mir gefehlt.
Genau in diesem Moment drehte Matt den Kopf zu mir und fragte mich, was ich dachte.
»Nichts. Ich genieße nur die Aussicht«, sagte ich. Ich fühlte mich, als wäre ich gerade dabei erwischt worden, wie ich etwas Verbotenes tat.
Er blieb hartnäckig. »Wenn ich richtig rate, wirst du es mir dann sagen?«
»Sicher.«
»Wenn ich richtig rate«, sagte er grinsend, »haben wir noch eine Verabredung. Vielleicht schon morgen Abend.«
»Und wenn du falsch rätst, werden wir uns nie wiedersehen. Ein ziemlich hoher Einsatz.«
Er lachte. »Vergiss nicht, dass ich immer noch dein Haus anstreiche, Suzanne.«
»Du würdest nicht die Malerarbeit aufs Spiel setzen, um zu gewinnen?«
Matt spielte den Beleidigten. »Ich bin Künstler. Picasso.«
Er machte eine kleine Pause, bevor er mir zuzwinkerte und dann riet: »Du hast über uns nachgedacht.«
Ich konnte nicht einmal bluffen, denn ich errötete. »Ja, vielleicht.«
»Ja!«, rief er aus und riss beide Arme triumphierend in die Höhe. »Also?«
»Lass die Hände am Lenkrad. - Was, also?«
»Also, was würdest du morgen gerne machen?«
Ich musste lachen, und mir fiel auf, dass ich viel lachte, wenn ich mit ihm zusammen war. »Mann, ich habe keine Ahnung. Ich hatte eigentlich vor, Gus zu baden, was dringend nötig ist, ein bisschen einzukaufen und vielleicht einen Film auszuleihen. Ich dachte an Herr der Gezeiten.«
»Großartig. Mir hat Pat Conroys Roman sehr gefallen, wie alle seine Bücher. Aber den Spielfilm habe ich mir nie angeschaut. Wenn du ein wenig Gesellschaft haben möchtest, schließe ich mich gerne an.«
Ich muss zugeben, es machte viel Spaß, mit Matt zusammen zu sein. Er war das genaue Gegenteil von Michael Bernstein, meinem früheren Freund in Boston, der niemals etwas ohne einen vernünftigen Grund zu tun schien, der niemals einmal einen Tag frei nahm, wahrscheinlich auch niemals eine hübsche, kurvenreiche Straße hinabfuhr, nur weil sie da war.
Matt und Michael hätten verschiedener gar nicht sein können. Matt schien sich für fast alles auf diesem Planeten zu interessieren: Er war Gärtner, Vogelbeobachter, ein begeisterter Leser, ein ziemlich guter Koch, Basketballspieler, ein Ass im Kreuzworträtsellösen, und natürlich war er sehr geschickt bei allen Arbeiten in und am Haus.
Ich erinnere mich, dass ich irgendwann während unseres Ausflugs auf die Uhr geschaut habe, aber nicht, weil ich den Wunsch hatte, unsere Verabredung möge bald vorbei sein, sondern weil ich wollte, dass sie nicht so schnell vorbei war. Ich war glücklich an jenem Tag, einfach mit Matt herumzufahren, ohne Ziel.
Ich nahm alles um mich herum in mich auf: das Seegras, den tiefblauen Himmel, den Strand, den tosenden Ozean. Aber vor allem nahm ich Matthew Harrison in mich auf. Sein frisch gewaschenes, kariertes Flanellhemd, seine Jeans, seine schimmernde, rosig braune Haut, sein langes, braunes Haar.
Ich atmete Matt ein, behielt ihn in mir und wollte ihn nie wieder ausatmen. Es war etwas sehr Schönes im Gange.
Du fragst dich jetzt vielleicht, was mit Matt Wolfe war, dem Anwalt? Nun, ich habe Matt mehrmals angerufen, erwischte ihn aber immer nur auf seinem Anrufbeantworter, und er hat mich nie zurückgerufen. Aber es ist ja auch eine kleine Insel, also wusste er es vielleicht.
Lieber Nicky,
in den nächsten zwei Wochen traf ich Matt Harrison jeden Tag. Ich konnte es kaum glauben. Ich musste mich selbst oft kneifen. Ich lächelte, wenn niemand in der Nähe war.
»Hast du jemals ein Pferd geritten, Suzanne?«, fragte Matt mich am Sonntagmorgen. »Die Frage ist ernst gemeint.«
»Darauf kannst du wetten. Als Kind«, sagte ich und versuchte, ein wenig wie ein Cowboy zu klingen.
»Eine perfekte Antwort - weil du sehr bald wieder ein Kind sein wirst. Jetzt gleich, noch heute. Übrigens, hast du jemals ein himmelblaues Pferd mit roten Streifen und goldenen Hufen
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