Tagebuch für Nikolas
würde, sie kennen zu lernen.
Interessant? Was sollte das heißen?
»Uups, da ist ja meine Mom! «, sagte Matt just in jenem Augenblick. »O Mann, da ist sie.«
Sie war oben auf dem Dach des Hauses, als wir ankamen, und reparierte eine Fernsehantenne.
Wir stiegen aus meinem alten, blauen Jeep, und Matt rief zu ihr hinauf.
»Mom, das ist Suzanne. Und Gus, der Wunderhund. Suzanne … meine Mutter Jean. Sie hat mir beigebracht, wie man alles im und ums Haus repariert.«
Seine Mutter war groß, schlaksig, silberhaarig. Sie rief zu uns hinunter.
»Ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen, Suzanne. Dich auch, Gus. Setzt euch drei auf die Veranda. Ich bin hier oben gleich fertig.«
»Wenn du nicht vom Dach fällst und dir beide Beine brichst«, entgegnete Matt. »Glücklicherweise haben wir eine gute Ärztin im Haus.«
»Ich falle schon nicht vom Dach.« Jean lachte und machte sich wieder an die Arbeit. »Ich falle nur von Drehleitern.«
Matt und ich setzten uns an den eisernen Tisch auf der Veranda. Gus bevorzugte den Garten vor dem Haus. Es war ein typisches, koloniales »Saltbox«-Haus, wie man es häufig in Neuengland findet: vorne ist es zweistöckig; hinten jedoch fällt das Dach so weit ab, dass das Haus nur noch ein Stockwerk hat. Es hatte eine Aussicht auf den Hafen. Nach Süden lagen Maisfelder; dahinter dehnten sich tiefe Wälder, sodass man den Eindruck bekam, in Maine zu sein.
»Es ist wunderbar hier. Bist du hier aufgewachsen?«, fragte ich.
»Nein, ich bin in Edgartown geboren. Dieses Haus wurde ein paar Jahre nach dem Tod meines Vaters gekauft.«
»Tut mir Leid, dass dein Vater tot ist, Matt.«
Er zuckte die Achseln. »Noch eine Gemeinsamkeit von uns beiden, nehme ich an.«
»Warum hast du es mir nie erzählt?«, fragte ich ihn.
Er lächelte. »Weißt du, ich glaube, ich rede einfach nicht gerne über traurige Dinge. Jetzt kennst du meinen Fehler. Wozu ist es gut, über traurige Ereignisse in der Vergangenheit zu reden?«
Plötzlich erschien Jean mit Eistee und einem Teller, auf dem Schokoladenkekse aufgehäuft waren.
»Also, ich verspreche, ich werde Sie nicht ausfragen, Suzanne. Dafür sind wir zu erwachsen«, sagte sie und blinzelte mir kurz zu. »Ich würde allerdings sehr gerne etwas über Ihre Praxis hören. Matthews Vater war auch Arzt, wissen Sie.«
Ich blickte zu ihm hinüber. Matt hatte mir auch davon nichts erzählt. »Mein Vater starb, als ich acht Jahre alt war. Ich kann mich kaum noch an ihn erinnern.«
»Bei manchen Dingen ist er sehr zurückhaltend, Suzanne. Matthew war tief verletzt, als sein Vater gestorben war. Er glaubt, es könnte andere Menschen beunruhigen, wenn sie hören, wie verletzt er war.«
Sie zwinkerte Matt zu, und er zwinkerte zurück. Ich konnte sehen, wie nahe sie sich standen. Es war schön, das zu sehen.
»Erzählen Sie doch von sich, Jean. Es sei denn, Sie sind auch so zurückhaltend.«
»Himmel, nein!« Sie lachte. »Ich bin ein offenes Buch. Was wollen Sie wissen?«
Es stellte sich heraus, dass Jean eine der Künstlerinnen am Ort war - eine Malerin. Sie führte mich durchs Haus und zeigte mir einige ihrer Arbeiten. Auch sie war eine gute Malerin. Ich wusste genug, um mir sicher zu sein, dass man ihre Bilder an Galerien in Back Bay oder sogar in New York hätte verkaufen können. Jean hatte sich ein Zitat von Grandma Moses eingerahmt, der naiven Malerin. Es lautete: »Ich male von oben nach unten. Vom Himmel aus, dann die Berge, dann die Hügel, dann das Vieh und dann die Menschen.«
Jean lachte, als ich ihre Arbeiten lobte, und sagte: »Ich habe mal eine Karikatur gesehen, auf der ein Paar vor einem Gemälde von Jackson Pollock steht, und unter dem Bild war ein Preisschild über eine Million Dollar angebracht. Der Mann schaut seine Frau an und sagt: Also, beim Preis ist seine Botschaft jedenfalls deutlich.-« Sie hatte Sinn für Humor, wenn es um ihre Arbeit ging - eigentlich bei allem. Ich erkannte viel von Matt in ihr.
Der Nachmittag wurde zum Abend, und es endete damit, dass Matt und ich zum Essen blieben. Es war sogar noch Zeit, ein kostbares altes Album mit Fotos von Matt als Baby anzuschauen.
Er war so niedlich, Nick. Er hatte als Junge deine blonden Haare und auch diesen draufgängerischen Blick, den du manchmal hast.
»Keine nackten Popos auf dem Bärenfell?«, fragte ich Jean, während ich die Bilder anschaute.
Sie lachte. »Suchen Sie nur gründlich, und ich bin sicher, Sie werden einen finden. Matt hat einen hübschen Hintern.
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