Tagebuch für Nikolas
nicht, der Schriftsteller in der Familie ist definitiv dein Daddy. Aber es macht mir trotzdem viel Freude, diese kleinen Gedichte für dich zu schreiben.
Hoppla, da kommt schon wieder eins!
Ich liebe dich, und du liebst mich.
Ich liebe dich von Kopf bis Fuß,
Darum geb ich dir ‘nen Kuss.
Ich küss dich tausendmal - und dann?
Fang ich damit von vorne an!
Okay, mein kleiner Mann, jetzt muss ich aber aufhören. Meine nächste Patientin ist schon da. Wenn sie wüsste, was ich gerade hinter der geschlossenen Tür in meinem Büro gemacht habe, würde die arme Frau ins öffentliche Krankenhaus von Edgartown flüchten.
Ich dachte, dass ich nach einem halben Tag wieder voll in der Arbeit stecken und mich an die Routine gewöhnen würde. Aber seitdem ich heute Morgen angekommen bin, wollte ich die ganze Zeit immer nur deine Bilder anschauen und dumme Gedichte schreiben.
Jeder, der zu mir hereinschaut, würde mich für verliebt halte.
Und das bin ich auch.
Nicky, ich bin es wieder!
Ich habe dich heute Nacht weinen hören und bin aufgestanden, um nachzuschauen, was los ist. Du hast mit so traurigen, kleinen Augen zu mir hinaufgesehen. Deine Augen sind sehr blau und immer ganz ausdrucksvoll.
Ich sah nach, ob du eine neue Windel brauchtest - aber das war es nicht. Dann habe ich nachgeschaut, ob du hungrig warst - aber das war es auch nicht.
Also habe ich dich hoch genommen und mich in den Schaukelstuhl neben deine Krippe gesetzt.
Vor und zurück schaukelten wir, vor und zurück, ungefähr doppelt so schnell wie beim Surfen auf dem Ozean.
Langsam fielen dir die Augen zu, und deine Tränen lösten sich in süße Träume auf. Ich legte dich wieder in deine Krippe und sah zu, wie sich dein herzförmiger Po in die Luft streckte. Dann drehte ich dich auf den Rücken und schaute mir an, wie dein kleiner Bauch sich hob und senkte.
Ich glaube, du wolltest nur ein wenig Gesellschaft haben. Konnte es sein, dass du wirklich nur wolltest, dass man dich schaukelt, dich im Arm hält und mit dir spricht?
Ich bin hier, mein Liebling. Ich bin bei dir und werde nicht weggehen. Ich werde immer hier sein.
»Was machst du, Suzie?«, flüsterte Matt. Ich hatte nicht gehört, wie er hinter mir durch die Tür des Kinderzimmers gekommen war. Daddy kann so leise sein wie eine Katze.
»Nick konnte nicht schlafen.«
Matt blickte in die Krippe und sah deine kleine Hand, die du wie einen Beißring an den Mund gepresst hattest.
»Gott, ist er schön!«, flüsterte Matt. »Er ist wundervoll.«
Ich schaute auf dich hinunter. Es war kein Zentimeter an dir, der mein Herz nicht vor Glück überströmen ließ.
Matt legte die Arme um meine Taille. »Möchten Sie mit mir tanzen, Mrs Harrison?« Er hatte mich seit unserem Hochzeitstag nicht mehr so genannt. Mein Herz flatterte wie ein Spatz in einem Vogelbad.
»Ich glaube, sie spielen unser Lied.«
Und zu den Noten, die aus deiner Spieluhr erklangen, tanzten Matt und ich in dieser Nacht immer und immer wieder in deinem Kinderzimmer. Vorbei an den Plüschtieren, den Gänsen und Enten auf der Tapete und dem selbst gebauten Schaukelpferdchen, vorbei an den Sternen und dem Mond, die an deinem selbst gebastelten Mobile hängen. Wir tanzten langsam und voller Liebe im schwachen Licht deines winzigen Kokons.
Als die Musik schließlich das letzte Mal verklungen war, küsste Matt mich und sagte: »Ich danke dir, Suzanne. Danke für diese Nacht, für diesen Tanz, und vor allen Dingen für diesen kleinen Jungen. Meine ganze Welt ist genau hier, in diesem Zimmer. Wenn ich sonst nichts anderes hätte, so hätte ich doch alles.«
Und dann - ganz seltsam, wie durch Zauberhand, als hätte deine Spieluhr nur eine Pause eingelegt -, spielte sie noch einmal den Refrain.
Hallo Nick,
Melanie Bone kam zum Babysitten herüber, während ich zur Arbeit ging. Melanies Kinder waren für eine Woche bei ihrer Mutter in Maine, und so verschaffte Melanie Grandma Jean eine Atempause. Es ist ein seltsames Gefühl, dich so lange zu verlassen, und ich muss immerzu daran denken, was du jetzt gerade machst.
Und jetzt.
Und jetzt.
Zuletzt habe ich mich im Massachusetts General Hospital in Boston so müde gefühlt wie jetzt - damals, als ich dort geschuftet habe wie ein Pferd. Vielleicht liegt es daran, dass ich in diesen Tagen wieder mit vielen Dingen gleichzeitig jongliere. Ein Baby und einen Beruf zu haben ist noch schwerer, als ich dachte. Mein Respekt für alle Mütter war nie größer als jetzt, und er war vorher schon
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