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Tagebuch für Nikolas

Tagebuch für Nikolas

Titel: Tagebuch für Nikolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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groß. Arbeitende Mütter, Mütter, die zu Hause bleiben, allein erziehende Mütter - sie alle sind erstaunlich.
    Heute ist im Krankenhaus etwas passiert, das mich an deine Geburt erinnert hat.
    Eine einundvierzigjährige Frau aus New York, die hier ihren Urlaub verbrachte, wurde eingeliefert. Sie war im siebten Monat, und es ging ihr nicht gut. Dann brach in der Notaufnahme die Hölle los. Sie bekam starke Blutungen. Es war schrecklich. Es endete damit, dass die arme Frau ihr Baby verlor, und ich musste versuchen, sie zu trösten.
    Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich darüber schreibe. Ich habe es mir auch zweimal überlegt, bevor ich diese traurige Geschichte mit dir teile.
    Doch sie hat mir einmal mehr bewusst gemacht, wie verwundbar wir sind, wie sehr das Leben einem Tanz auf dem Drahtseil gleichen kann. Nur ein winziger Fehltritt, und schon fällt man. Ich musste nur diese arme Frau heute sehen und mich an unseren kleinen Seiltanz mit dem Schicksal erinnern, und mir stockte der Atem.
    Ach, Nicky, manchmal wünsche ich mir, ich könnte dich verstecken wie ein wertvolles Erbstück. Aber was ist das Leben, wenn man es nicht lebt? Ich glaube, das weiß ich so gut wie jeder andere.
    Es gibt da einen Spruch meiner Großmutter, an den ich mich erinnere: »Einmal Heute ist zweimal Morgen wert.«
    Lieber, kleiner Angeber,
    du fängst schon an, dein Fläschchen selbst zu halten. Keiner kann das glauben. Dieser kleine Knirps füttert sich mit zwei Monaten selbst. Jede neue Erfahrung, die du machst, nehme ich als ein Geschenk für mich und deinen Daddy an.
    Manchmal kann ich solch ein Einfaltspinsel sein. Ich habe dann nur noch verschwommene Visionen von Vorstadtidyllen und vergoldeten Babyschuhen. Ich musste es einfach tun. Ich musste dich von einem Profi fotografieren lassen.
    Das muss jede Mutter einmal tun. Stimmt’s?
    Heute ist der perfekte Tag dafür. Daddy ist nach New York gefahren, wo irgendjemand Gefallen an seinen Gedichten gefunden hat. Er spielt es zwar herunter, aber es ist eine großartige Neuigkeit. Wir sind also allein zu Haus, und ich habe einen Plan.
    Ich habe dir einen ausgewaschenen blauen Overall angezogen (echt cool), deine kleinen Arbeitsstiefel (genau wie Daddys) und eine Baseballmütze von den Red Sox (mit hochgeklapptem Schirm).
    Die Mütze musste wieder weg! Du bist deswegen beinahe ausgeflippt; ich nehme an, du hast geglaubt, dass ich dir ein Geweih anschrauben wollte.
    Nun, ich will dir alles erzählen, für den Fall, dass du dich nicht daran erinnern kannst.
    Als wir zu Stets im Bilde kamen, dem Fotoatelier, hast du mich angeschaut, als wolltest du sagen: Du hast einen Fehler gemacht.
    Vielleicht hatte ich das.
    Der Fotograf war ein fünfzigjähriger Mann, der überhaupt nicht wusste, wie man mit Kindern umgeht. Nicht, dass er grob gewesen wäre, er wusste einfach nicht, was er zu tun hatte. Ich bekam den Eindruck, dass seine Spezialität Stillleben waren, denn er versuchte, dich mit einer Reihe von Früchten und Gemüsen auf das Foto einzustimmen.
    Wie auch immer, eines ist sicher: Wir haben jetzt ganz einzigartige Bilder. Die ersten zeigen dich mit einem überraschten Blick, der sich rasch in einen eher belästigten Gesichtsausdruck verwandelt. Danach kommst du in die mürrische Phase, die sich flugs im wütenden Teil unseres Programms verliert. Und dann in tränenreiche Untröstlichkeit.
    Einen kleinen Trost gibt es. Du kannst es wenigstens nicht Daddy erzählen. Es wäre einfach zu viel Wasser auf seine »Ich hab’s dir gleich gesagt«-Mühlen.
    Bitte vergib mir diese Episode. Ich verspreche, ich werde diese Bilder niemals neuen Freundinnen, alten Studienkollegen oder Grandma Jean zeigen. Sie würde sie in jedem Schaufenster auf der Insel ausstellen lassen, bevor es Abend wird.
    Lieber Nicky,
    es war ein wenig kühl, aber ich habe dich warm eingemummelt, und wir haben einen Picknickkorb zur Küstenstraße mitgenommen, um Daddys siebenunddreißigsten Geburtstag am Strand zu feiern. Mein Gott, ist Daddy alt!
    Wir haben Sandburgen gebaut und deinen Namen in großen, dicken Buchstaben in den Sand geschrieben, bis die Brandung ihn davonspülte.
    Dann haben wir ihn noch einmal geschrieben, weit genug weg von den Wellen, sodass das Wasser ihn nicht erreichen konnte.
    Es machte so unglaublich viel Spaß, dich und Daddy zusammen spielen zu sehen. Ihr seid wirklich aus demselben Holz geschnitzt, gleicht euch wie ein Ei dem anderen, Dick und Doof! Deine Bewegungen, deine Eigenheiten, deine

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