Tagebuch für Nikolas
dich wieder in meine Arme. »Es ist wunderbar, dich wiederzusehen, Mama Bedford. Und soweit es diesen kleinen Kerl betrifft, ist er ein Musterexemplar für gute Gesundheit.«
Das wusste ich natürlich schon.
Dann war ich an der Reihe.
Ich saß auf dem Rand des Tisches im Behandlungszimmer, bereits wieder angezogen, und wartete darauf, dass mein Arzt, Dr. »Philadelphia« Phil Berman, wieder hereinkam. Phil war in Boston mein Arzt gewesen, und er blieb mit dem Spezialisten auf Martha’s Vineyard in Verbindung. Sie ergänzten sich sehr gut.
Die Untersuchung hatte ein wenig länger als üblich gedauert. Eine der Schwestern passte draußen auf dich auf, aber ich sehnte mich nach einer Umarmung und wollte möglichst schnell wieder nach Martha’s Vineyard zurück. In diesem Moment kam Phil herein und bat mich in sein Büro.
Wir waren alte Freunde, und so plauderten wir erst ein, zwei Minuten. Dann kam Phil zur Sache.
»Dein Belastungstest sieht nicht so gut aus, Suzanne. Mir sind ein paar Unregelmäßigkeiten in deinem EKG aufgefallen. Ich habe mir erlaubt, bei Dr. Davis anzurufen. Ich weiß, dass Gail deine Kardiologin war, als du hier Patientin gewesen bist. Sie hat die Unterlagen von der Insel. Sie wird dich heute noch dazwischen quetschen.«
»Moment mal, Phil«, sagte ich. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Das konnte nicht wahr sein. Ich fühlte mich sehr gut, großartig. Ich war in der besten Form meines Lebens. »Das kann nicht stimmen. Bist du sicher?«
»Ich kenne deine Krankengeschichte, und ich würde meine Pflichten vernachlässigen, würde ich nicht darauf bestehen, dass Gail Davis einen Blick auf dich wirft. Komm, Suzanne, jetzt bist du einmal hier. Martha’s Vineyard ist ganz schön weit weg. Also, mach es einfach. Es wird nicht lange dauern. Wir behalten Nikolas so lange hier, bis du fertig bist. Ist uns ein Vergnügen.«
Dann fuhr Phil fort, und sein Tonfall änderte sich nur ganz wenig. »Suzanne, du und ich, wir kennen uns schon lange. Ich möchte nur ganz sicher gehen. Vielleicht ist es ja gar nichts, aber ich möchte eine zweite Meinung hören. Du würdest jedem deiner Patienten denselben Rat geben.«
Es kam mir wie ein Dejävu vor, als ich durch die Flure ging, auf dem Weg zu Gail Davis’ Büro. Lieber Gott, bitte lass es nicht noch einmal geschehen. Nicht jetzt. O Gott, bitte. Alles in meinem Leben läuft doch so gut!
Ich betrat das Wartezimmer, als würde ich mich in einem Albtraum durch dichten Nebel bewegen. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren, keinen klaren Gedanken fassen.
Das ominöse Mantra, das mir immer und immer wieder durch den Kopf ging, war: Sag mir, dass es nicht wirklich passiert.
Eine Schwester kam auf mich zu. Ich kannte sie von den Krankenhausbesuchen nach meinem Herzanfall. »Suzanne, Sie können gleich mit mir kommen.«
Ich folgte ihr wie ein Gefangener, der zur Hinrichtung geführt wird.
Sag mir, dass es nicht wirklich passiert.
Ich blieb nahezu zwei Stunden. Ich glaube, ich wurde jedem kardiologischen Test unterzogen, den es gibt. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, auch wenn ich wusste, dass du bei Dr. Berman in guten Händen warst.
Als es schließlich vorbei war, kam Gail Davis herein. Sie sah ernst aus, aber das war bei ihr eigentlich immer der Fall, sogar auf den Partys, auf denen ich sie getroffen habe. Das rief ich mir in Erinnerung, aber es half nichts.
»Sie hatten keinen zweiten Herzanfall, Suzanne, dahingehend kann ich Sie beruhigen. Aber was ich festgestellt habe, ist eine gewisse Schwäche von zweien Ihrer Herzklappen. Ich nehme an, diese Schwäche wurde durch den letzten Infarkt verursacht, vielleicht auch durch die Schwangerschaft. Weil die Herzklappen beschädigt sind, hat Ihr Herz einige Mühe, das Blut zu pumpen. Sie wissen, worauf ich hinaus will, Suzanne, aber ich sehe mich gezwungen, Sie zu warnen. Aber es ist eine Warnung, über die Sie froh sein sollten.«
»Ich fühle mich aber nicht besonders froh«, bemerkte ich.
»Manche Menschen bekommen nie eine solche Warnung, und deshalb bekommen sie auch keine Chance, das zu reparieren, was kaputt zu gehen droht. Wenn Sie wieder nach Martha’s Vineyard zurückkehren, wird man noch ein paar Untersuchungen machen, und dann können wir über Ihre Möglichkeiten sprechen. Vielleicht müssen die Herzklappen operiert werden.«
Jetzt hatte ich Schwierigkeiten, Luft zu holen. Ich wollte um keinen Preis vor Gail weinen. »Es ist so seltsam«, sagte ich. »Alles kann einfach großartig
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