Tagebuch für Nikolas
laufen, und dann, eines Tages - wumm, kommt es knüppeldick. Ein lausiger, mieser Schlag, den man nicht hat kommen sehen.«
Gail Davis sagte nichts, legte nur ihre Hand auf meine Schulter.
Mein Nicky!
Mit den Worten eines quirligen, kleinen italienischen Mädchens, Michele Lentini, die damals in Cornwall im Staat New York meine beste Freundin gewesen war: »O marone.«
Oder mit den Worten der Blues Brothers: »Sie werden uns nicht kriegen, wir sind auf einer Mission Gottes!«
Ich beobachtete dich im Rückspiegel, wie du mit den Beinchen gestrampelt hat und deine Ärmchen sich nach mir streckten. Die Welt rauschte auf beiden Seiten an uns vorbei, und es kam mir so vor, als ob wir nach Hause »fielen«, statt zu fahren.
Ich habe mit dir gesprochen, Nicky, wirklich mit dir gesprochen.
»Mein Leben ist so eng mit dir verbunden. Es kann doch gar nicht möglich sein, dass mir jetzt irgendetwas Schlimmes passiert. Aber ich nehme an, das ist genau das trügerische Gefühl der Sicherheit, das die Liebe einem gibt.«
Ich dachte ein paar Sekunden darüber nach. Dass ich mich in Matt verliebt hatte und dass ich ihn jetzt so sehr liebte, hatte mir ein Gefühl der Sicherheit gegeben.
Was konnte uns etwas anhaben? Wie könnte uns etwas wirklich Schlimmes passieren?
Und du gibst mir genau dasselbe Gefühl, Nick. Wie könnte uns irgendetwas auseinander bringen? Wie könnte ich dich nicht aufwachsen sehen? Das wäre zu grausam, als dass Gott es geschehen lassen könnte.
Die Tränen, die ich in Dr. Davis’ Büro zurückgehalten hatte, strömten mir plötzlich aus den Augen. Rasch wischte ich sie fort. Ich konzentrierte mich auf die Straße und setzte unsere Nachhausefahrt mit meinem üblichen langsamen und gleichmäßigen Tempo fort.
Ich redete mit dir in dem kleinen Innenspiegel, in dem ich direkt auf deinen Kindersitz blicken kann. »Also, machen wir einen Plan. Alles in Ordnung, mein Baby? Jedes Mal, wenn ich dich zum Lächeln bringe, heißt das, dass wir noch ein weiteres Jahr zusammen haben, ein ganzes Jahr für jedes Lächeln. Das ist Magie, Nicky! Wir haben schon mehr als ein Dutzend Jahre zusammen, denn du hast während dieser Fahrt mindestens schon ein Dutzend Mal gelächelt. Wenn das so weitergeht, werde ich hundertsechsunddreißig und du knusprige zweiundachtzig.«
Ich begann über meinen eigenen verrückten Humor zu lachen.
Plötzlich hast du das strahlendste Lächeln aufgesetzt, das ich je bei dir gesehen habe. Du hast mich so sehr zum Lachen gebracht, dass ich einfach nach hinten blickte und flüsterte: »Nikolas, Suzanne und Matt - für immer eins.«
Das ist mein Gebet.
Mein kleiner Nikolas,
vier lange Wochen voller Nervosität sind vergangen, seitdem ich in Boston die beunruhigenden Neuigkeiten erfahren habe. Matt macht mit dir eine Tour im Jeep, und ich sitze in der Küche, durch deren Fenster die Sonnenstrahlen fallen wie gelbe Fahnen in einer Parade. Es ist so schön.
Die medizinischen Gutachten liegen nun vor. Meine Herzklappen sind geschädigt, aber das kann behandelt werden. Vorerst werden wir die Klappen nicht operativ austauschen, und eine Herztransplantation kommt definitiv noch nicht in Betracht. Erst einmal bekomme ich eine Bestrahlung.
Ich bin allerdings gewarnt worden: Das Leben dauert nicht ewig. Genieße jeden Augenblick.
Ich kann riechen, wie der Morgen sich entfaltet, wie er das Lied und das Salz und den Grasgeruch der Marsch mit sich bringt.
Meine Augen sind geschlossen, und das Windspiel vor dem Fenster wird von der Meeresbrise gekitzelt.
»Ist es nicht ein Glück?«, sagte ich schließlich laut.
»Dass ich hier sitze und auf diesen schönen Tag schaue …«
»Dass ich auf Martha’s Vineyard wohne, so dicht am
Meer, dass ich einen Stein in die Brandung werfen könnte …«
»Dass ich Ärztin bin und meine Arbeit liebe …«
»Dass ich irgendwie, so unwahrscheinlich es auch war, Matthew Harrison gefunden habe, und dass wir uns ineinander verliebt haben …«
»Dass wir einen kleinen Jungen haben, mit den allerschönsten blauen Augen, dem wundervollsten Lächeln und dem schönsten Wesen … und einem Babyduft, den ich liebe.«
»Ist das nicht ein Glück, Nicky? Ist es nicht unglaubliches Glück?«
Das jedenfalls glaube ich.
Und das ist ein anderes meiner Gebete.
Lieber Nikolas,
du wächst vor unseren Augen auf, und es ist herrlich, das zu beobachten. Ich genieße jeden Augenblick. Ich hoffe, dass alle anderen Mommys und Daddys, die Zeit dafür haben, diese Augenblicke
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