Tagebuch (German Edition)
dass sogar die verschlossenen Naturen zu gegebener Zeit genauso stark oder noch stärker nach einem Vertrauten verlangen.
Peter und ich haben beide unsere Denk-Jahre im Hinterhaus verbracht. Wir reden oft über Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart, aber, wie gesagt, ich vermisse das Echte und weiß doch sicher, dass es da ist!
Liegt es daran, dass ich meine Nase so lange nicht in die frische Luft stecken konnte, dass ich so versessen auf alles bin, was Natur ist? Ich weiß noch sehr gut, dass ein strahlend blauer Himmel, zwitschernde Vögel, Mondschein und blühende Blumen früher meine Aufmerksamkeit lange nicht so gefesselt haben. Hier ist das anders geworden. Ich habe z.B. an Pfingsten, als es so warm war, abends mit Gewalt die Augen offen gehalten, um gegen halb zwölf am offenen Fenster den Mond mal richtig und allein betrachten zu können. Leider führte dieses Opfer zu nichts, denn der Mond war zu hell, ich durfte kein offenes Fenster riskieren. Ein andermal, es ist schon ein paar Monate her, war ich zufällig abends oben, als das Fenster offen war. Ich ging nicht eher zurück, bis das Lüften vorbei war. Der dunkle, regnerische Abend, der Sturm, die jagenden Wolken hielten mich gefangen. Nach anderthalb Jahren hatte ich zum ersten Mal wieder die Nacht von Angesicht zu Angesicht gesehen. Nach diesem Abend war meine Sehnsucht, das noch mal zu sehen, größer als meine Angst vor Dieben und dem dunklen Rattenhaus oder Überfällen. Ich ging ganz allein hinunter und schaute aus dem Fenster vom Privatbüro und von der Küche.
Viele Menschen finden die Natur schön, viele schlafen mal unter freiem Himmel, viele ersehnen in Gefängnissen oder Krankenhäusern den Tag, an dem sie wieder frei die Natur genießen können, aber wenige sind mit ihrer Sehnsucht so abgeschlossen und isoliert von dem, was für Arme und Reiche dasselbe ist.
Es ist keine Einbildung, dass die Betrachtung des Himmels, der Wolken, des Mondes und der Sterne mich ruhig und abwartend macht. Dieses Mittel ist besser als Baldrian und Brom. Die Natur macht mich demütig und bereit, alle Schläge mutig zu ertragen.
Es hat so sein müssen, dass ich die Natur nur ausnahmsweise durch dick verstaubte und mit schmutzigen Vorhängen versehene Fenster sehen darf. Und da durchzuschauen, ist kein Vergnügen mehr. Die Natur ist das Einzige, das wirklich kein Surrogat vertragen kann!
Eine der vielen Fragen, die mich nicht in Ruhe lassen, ist, warum früher und auch jetzt noch oft die Frauen bei den Völkern einen so viel geringeren Platz einnehmen als der Mann. Jeder kann sagen, dass das ungerecht ist, aber damit bin ich nicht zufrieden. Ich würde so gern die Ursache dieses großen Unrechts wissen.
Es ist anzunehmen, dass der Mann von Anfang an durch seine größere Körperkraft die Herrschaft über die Frau ausgeübt hat. Der Mann, der verdient, der Mann, der die Kinder zeugt, der Mann, der alles darf … All die Frauen waren dumm genug, dass sie das bis vor einiger Zeit still haben geschehen lassen, denn je mehr Jahrhunderte diese Regel lebt, umso fester fasst sie Fuß. Zum Glück sind den Frauen durch Schule, Arbeit und Bildung die Augen geöffnet worden. In vielen Ländern haben Frauen gleiche Rechte bekommen. Viele Menschen, Frauen vor allem, aber auch Männer, sehen nun ein, wie falsch diese Einteilung der Welt so lange Zeit war. Die modernen Frauen wollen das Recht zur völligen Unabhängigkeit.
Aber das ist es nicht allein: Die Würdigung der Frau muss kommen! Überall wird der Mann hoch geschätzt, warum darf die Frau nicht zuallererst daran teilhaben? Soldaten und Kriegshelden werden geehrt und gefeiert, Entdecker erlangen unsterblichen Ruhm, Märtyrer werden angebetet. Aber wer betrachtet die Frau auch als Kämpferin?
In dem Buch »Streiter für das Leben« steht etwas, das mich sehr berührt hat, ungefähr so: Frauen machen im Allgemeinen allein mit dem Kinderkriegen mehr Schmerzen durch, mehr Krankheiten und mehr Elend, als welcher Kriegsheld auch immer. Und was bekommt sie dafür, wenn sie all die Schmerzen durchgestanden hat? Sie wird in eine Ecke geschoben, wenn sie durch die Geburt entstellt ist, ihre Kinder gehören schon bald nicht mehr ihr, ihre Schönheit ist weg. Frauen sind viel tapferere, mutigere Soldaten, die mehr kämpfen und für den Fortbestand der Menschheit mehr Schmerzen ertragen als die vielen Freiheitshelden mit ihrem großen Mund!
Ich will damit überhaupt nicht sagen, dass Frauen sich gegen Kinderkriegen auflehnen
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