Tagebuch (German Edition)
Egoismus und meine Pfuscharbeit, und Dussel maulte.
Endlich musste Dussel dann doch nachgeben, und ich bekam an zwei Nachmittagen in der Woche die Gelegenheit, ungestört zu arbeiten. Dussel sah sehr betreten aus, sprach zwei Tage nicht mit mir und musste sich dann von fünf bis halb sechs doch noch an den Tisch setzen. Kindisch, natürlich.
Jemand, der schon 54 Jahre alt ist und noch so pedantisch und kleinlich, ist von der Natur so gemacht und gewöhnt sich das auch nie mehr ab.
Freitag, 16. Juli 1943
Liebe Kitty!
Schon wieder ein Einbruch, aber diesmal ein echter! Heute Morgen ging Peter wie gewöhnlich um sieben Uhr zum Lager und sah sofort, dass sowohl die Lager- als auch die Straßentür offen standen. Er berichtete das sofort Pim, der im Privatbüro das Radio auf den deutschen Sender zurückdrehte und die Tür schloss. Zusammen gingen sie dann nach oben. Das normale Kommando in solchen Fällen »Nicht waschen, still sein, um acht Uhr fix und fertig dasitzen, nicht zum Klo gehen!«, wurde wie gewöhnlich genau befolgt. Wir waren alle acht froh, dass wir nachts so gut geschlafen und nichts gehört hatten. Ein wenig waren wir empört, als sich den ganzen Morgen niemand um uns kümmerte und Herr Kleiman uns bis halb zwölf warten ließ. Er erzählte, dass die Einbrecher die Außentür mit einem Stemmeisen eingestoßen und die Lagertür aufgebrochen hatten. Im Lager gab es jedoch nicht viel zu stehlen, und deshalb versuchten die Diebe ihr Glück eben eine Etage höher. Sie haben zwei Geldkassetten mit vierzig Gulden und Scheckbücher gestohlen und, was am schlimmsten ist, unsere ganzen Marken für die Zuckerzuteilung von 150 kg. Es wird nicht leicht sein, neue Marken zu besorgen.
Herr Kugler denkt, dass dieser Einbrecher zur selben Gilde gehört wie derjenige, der vor sechs Wochen hier war und an allen drei Türen (1 Lagertür, 2 Haustüren) versucht hat, hereinzukommen, dem es damals aber nicht gelungen war.
Der Fall hat wieder etwas Aufregung verursacht, aber ohne das scheint das Hinterhaus nicht auszukommen. Wir waren natürlich froh, dass die Schreibmaschinen und die Kasse sicher in unserem Kleiderschrank verwahrt waren.
Deine Anne
P.S. Landung auf Sizilien. Wieder ein Schritt näher zum …
Montag, 19. Juli 1943
Liebe Kitty!
Am Sonntag ist Amsterdam-Nord sehr schwer bombardiert worden. Die Verwüstung muss entsetzlich sein, ganze Straßen liegen in Schutt, und es wird noch lange dauern, bis alle Verschütteten ausgegraben sind. Bis jetzt gibt es 200 Tote und unzählige Verwundete, die Krankenhäuser sind übervoll. Man hört von Kindern, die verloren in den schwelenden Ruinen nach ihren toten Eltern suchen. Es überläuft mich immer noch kalt, wenn ich an das dumpfe, dröhnende Grollen in der Ferne denke, das für uns das Zeichen der nahenden Vernichtung war.
Freitag, 23. Juli 1943
Bep kann im Moment wieder Hefte bekommen, vor allem Journale und Hauptbücher, nützlich für Margot, meine buchhaltende Schwester. Andere Hefte gibt es auch zu kaufen, aber frage nicht, was für welche und für wie lange noch. Hefte haben zur Zeit die Aufschrift »Markenfrei erhältlich«. Genau wie alles andere, was noch »markenfrei« ist, sind sie unter aller Kritik. So ein Heft besteht aus zwölf Seiten grauem, schief- und engliniertem Papier. Margot überlegt, ob sie einen Fernkurs in Schönschreiben belegen soll. Ich habe ihr zugeraten. Mutter will aber auf keinen Fall, dass ich auch mitmache, wegen meiner Augen. Ich finde das dumm. Ob ich nun das mache oder etwas anderes, das bleibt sich doch gleich.
Da du noch nie einen Krieg mitgemacht hast, Kitty, und du trotz all meiner Briefe doch wenig vom Verstecken weißt, will ich dir zum Spaß mal erzählen, was der erste Wunsch von uns acht ist, wenn wir wieder mal hinauskommen.
Margot und Herr van Daan wünschen sich am meisten ein heißes Bad, bis zum Rand gefüllt, und wollen darin mehr als eine halbe Stunde bleiben. Frau van Daan will am liebsten sofort Torten essen. Dussel kennt nichts als seine Charlotte, und Mutter ihre Tasse Kaffee. Vater geht zu Voskuijls, Peter in die Stadt und ins Kino, und ich würde vor lauter Seligkeit nicht wissen, wo anfangen.
Am meisten sehne ich mich nach unserer eigenen Wohnung, nach freier Bewegung und endlich wieder nach Hilfe bei der Arbeit, also nach der Schule!
Bep hat uns Obst angeboten, aber es kostet ein kleines Vermögen. Trauben 5 Gulden pro Kilo, Stachelbeeren 1,40 Gulden, ein Pfirsich 40 Cent, ein Kilo
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