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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Frank
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gehabt. Er legte sofort los: »Ich muss auch arbeiten. Wenn ich nachmittags nicht arbeiten kann, bleibt mir überhaupt keine Zeit mehr übrig. Ich muss mein Pensum erledigen, sonst habe ich ganz umsonst damit angefangen. Du arbeitest doch nicht ernsthaft. Die Mythologie, was ist das schon für eine Arbeit! Stricken und Lesen ist auch keine Arbeit! Ich bin und bleibe an dem Tisch.«
    Meine Antwort war: »Herr Dussel, ich arbeite sehr wohl ernsthaft. Ich kann drinnen nachmittags nicht arbeiten und bitte Sie freundlich, noch mal über meine Bitte nachzudenken.«
    Mit diesen Worten drehte sich die beleidigte Anne um und tat, als wäre der hochgelehrte Doktor Luft. Ich kochte vor Wut, fand Dussel schrecklich unhöflich (und das war er auch!) und mich sehr freundlich.
    Abends, als ich Pim erwischte, erzählte ich ihm, wie die Sache abgelaufen war, und besprach mit ihm, was ich nun weiter tun sollte. Denn aufgeben wollte ich nicht, und ich wollte die Angelegenheit lieber allein erledigen. Pim erklärte mir so ungefähr, wie ich die Sache anpacken sollte, ermahnte mich aber, lieber bis zum nächsten Tag zu warten, weil ich so aufgeregt war.
    Diesen letzten Rat schlug ich in den Wind und wartete Dussel abends nach dem Spülen ab. Pim saß im Zimmer neben uns, und das gab mir große Ruhe.
    »Herr Dussel«, fing ich an, »ich glaube, dass Sie es nicht der Mühe wert fanden, die Sache genauer zu betrachten, und ersuche Sie, es doch zu tun.«
    Mit seinem freundlichsten Lächeln bemerkte Dussel daraufhin: »Ich bin immer und jederzeit bereit, über diese inzwischen erledigte Sache zu sprechen.«
    Ich fuhr mit dem Gespräch fort, wobei Dussel mich ständig unterbrach: »Wir haben am Anfang, als Sie hierher kamen, abgemacht, dass dieses Zimmer uns beiden gemeinsam gehören soll. Wenn die Aufteilung gerecht wäre, müssten Sie den Vormittag und ich den ganzen Nachmittag bekommen. Aber das verlange ich noch nicht mal, und mir scheint, dann sind zwei Nachmittage in der Woche doch wohl berechtigt.«
    Bei diesen Worten sprang Dussel hoch, als hätte ihn jemand mit der Nadel gestochen. »Über Recht hast du hier überhaupt nicht zu sprechen. Wo soll ich denn bleiben? Ich werde Herrn van Daan fragen, ob er auf dem Dachboden einen Verschlag für mich baut, dort kann ich dann sitzen. Ich kann ja auch nirgends mal ruhig arbeiten. Mit dir hat ein Mensch auch immer nur Streit. Wenn deine Schwester Margot, die doch mehr Grund dazu hat, mit dieser Bitte zu mir käme, würde es mir nicht einfallen, sie ihr abzuschlagen, aber du …«
    Und dann folgte wieder das von der Mythologie und dem Stricken, und Anne war wiederum beleidigt. Ich zeigte es jedoch nicht und ließ Dussel aussprechen. »Aber mit dir kann man ja nicht reden, du bist eine schändliche Egoistin. Wenn du nur deinen Willen durchsetzen kannst, dann können alle anderen sehen, wo sie bleiben. So ein Kind habe ich noch nie erlebt! Aber letzten Endes werde ich doch genötigt sein, dir deinen Willen zu lassen, denn sonst bekomme ich später zu hören, Anne Frank ist durch das Examen gefallen, weil Herr Dussel ihr den Tisch nicht überlassen wollte.«
    So ging es weiter und immer weiter. Zuletzt wurde eine solche Flut daraus, dass ich fast nicht mehr mitkam. Den einen Augenblick dachte ich: Ich schlage ihm direkt aufs Maul, dass er mit seinen Lügen gegen die Wand fliegt! Und im nächsten Augenblick sagte ich mir: Bleib ruhig, dieser Kerl ist es nicht wert, dass du dich so über ihn aufregst.
    Endlich hatte sich Herr Dussel ausgetobt und ging mit einem Gesicht, auf dem sowohl Wut als auch Triumph zu lesen waren, und mit seinem Mantel voller Esswaren aus dem Zimmer.
    Ich rannte zu Vater und erzählte ihm die ganze Geschichte, soweit er sie nicht mitbekommen hatte. Pim beschloss, noch am selben Abend mit Dussel zu sprechen, und so geschah es. Sie redeten mehr als eine halbe Stunde miteinander. Erst ging es darum, ob Anne an dem Tisch sitzen solle oder nicht. Vater erinnerte Dussel daran, dass sie schon einmal über dieses Thema gesprochen hätten und dass er damals Dussel Recht gegeben hätte, um den Älteren der Jüngeren gegenüber nicht ins Unrecht zu setzen, aber berechtigt habe er es damals schon nicht gefunden. Dussel meinte, dass ich nicht sprechen dürfe, als wäre er ein Eindringling und nähme alles in Beschlag. Aber dem widersprach Vater entschieden, denn er hatte selbst gehört, dass ich darüber kein Wort gesagt hatte. So ging es hin und her, Vater verteidigte meinen angeblichen

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