Tagebuch (German Edition)
Couch.
Mir wurde ganz seltsam zumute, als ich in seine dunkelblauen Augen schaute und sah, wie verlegen er bei dem ungewohnten Besuch war. Ich konnte an allem sein Inneres ablesen, ich sah in seinem Gesicht noch die Hilflosigkeit und die Unsicherheit, wie er sich verhalten sollte, und gleichzeitig einen Hauch vom Bewusstsein seiner Männlichkeit. Ich sah seine Verlegenheit und wurde ganz weich von innen. Ich hätte ihn gerne gebeten: Erzähl mir was von dir. Schau doch über die verhängnisvolle Schwatzhaftigkeit hinweg! Ich merkte jedoch, dass solche Fragen leichter vorzubereiten als auszuführen sind.
Der Abend ging vorbei, und nichts passierte, außer dass ich ihm von dem Erröten erzählte. Natürlich nicht das, was ich hier aufgeschrieben habe, sondern dass er mit den Jahren bestimmt sicherer werden würde.
Abends im Bett musste ich weinen, weinen, und doch durfte es niemand hören. Ich fand die Vorstellung, dass ich um Peters Gunst flehen sollte, einfach abstoßend. Man tut eine Menge, um seine Wünsche zu befriedigen, das siehst du an mir. Denn ich nahm mir vor, mich öfter zu Peter zu setzen und ihn auf irgendeine Art zum Sprechen zu bringen.
Du musst nicht meinen, dass ich in Peter verliebt bin, davon ist keine Rede. Wenn die van Daans statt eines Sohnes eine Tochter hier gehabt hätten, würde ich auch versucht haben, mit ihr Freundschaft zu schließen.
Heute Morgen wurde ich fünf vor sieben wach und wusste gleich ganz genau, was ich geträumt hatte. Ich saß auf einem Stuhl, und mir gegenüber saß Peter … Schiff. Wir blätterten in einem Buch mit Illustrationen von Mary Bos. So deutlich war mein Traum, dass ich mich teilweise noch an die Zeichnungen erinnere. Aber das war nicht alles, der Traum ging weiter. Auf einmal trafen Peters Augen die meinen, und lange schaute ich in diese schönen, samtbraunen Augen. Dann sagte Peter sehr leise: »Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich schon längst zu dir gekommen.« Brüsk drehte ich mich um, denn die Rührung wurde mir zu stark. Und dann fühlte ich eine weiche, o so kühle und wohl tuende Wange an meiner, und alles war so gut, so gut …
An dieser Stelle wachte ich auf, während ich noch seine Wange an meiner fühlte und seine braunen Augen tief in mein Herz schauten, so tief, dass er darin gelesen hatte, wie sehr ich ihn geliebt habe und ihn noch liebe. Wieder sprangen mir die Tränen in die Augen, und ich war so traurig, weil ich ihn wieder verloren hatte, aber gleichzeitig doch froh, weil ich wusste, dass Peter noch immer mein Auserwählter ist.
Seltsam, dass ich hier oft so deutliche Traumbilder habe. Erst sah ich Omi [11] eines Nachts so klar, dass mir ihre Haut wie aus dickem, weichem Faltensamt vorkam. Dann erschien mir Oma als Schutzengel, danach Hanneli, die für mich das Symbol des Elends meiner Freunde und aller Juden ist. Wenn ich also für sie bete, bete ich für alle Juden und alle armen Menschen.
Und nun Peter, mein lieber Peter. Noch nie habe ich ihn so deutlich gesehen. Ich brauche kein Foto von ihm, ich sehe ihn so gut, so gut.
Freitag, 7. Januar 1944
Liebe Kitty!
Dummkopf, der ich bin! Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, dass ich dir die Geschichte meiner großen Liebe nie erzählt habe.
Als ich noch sehr klein war, noch im Kindergarten, war meine Sympathie auf Sally Kimmel gefallen. Er hatte keinen Vater mehr und wohnte mit seiner Mutter bei einer Tante. Ein Vetter von Sally, Appy, war ein hübscher, schlanker, dunkler Junge, der später aussah wie ein Filmstar und der immer mehr Bewunderung erweckte als der kleine humorvolle Moppel Sally. Eine Zeit lang waren wir viel zusammen, aber ansonsten blieb meine Liebe unerwidert, bis mir Peter über den Weg lief und ich von einer heftigen Kinderverliebtheit gepackt wurde. Er mochte mich ebenso gerne, und einen Sommer lang waren wir unzertrennlich. Ich sehe uns noch in Gedanken Hand in Hand auf der Straße gehen, er in einem weißen Baumwollanzug, ich in einem kurzen Sommerkleid. Am Ende der großen Ferien kam er in die erste Klasse der Oberschule, ich in die sechste Klasse der Primarschule. Er holte mich von der Schule ab, und umgekehrt holte ich ihn ab.
Peter war ein Bild von einem Jungen, groß, hübsch, schlank, mit einem ernsten, ruhigen und intelligenten Gesicht. Er hatte dunkle Haare und wunderschöne braune Augen, rotbraune Backen und eine spitze Nase. Besonders verrückt war ich nach seinem Lachen, dann sah er so lausbubenhaft und frech aus.
In den großen
Weitere Kostenlose Bücher