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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Frank
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Ferien war ich nicht da, und als ich zurückkam, fand ich Peter nicht mehr an seiner alten Adresse. Er war inzwischen umgezogen und wohnte mit einem viel älteren Jungen zusammen. Der machte ihn anscheinend darauf aufmerksam, dass ich noch ein kindischer Knirps war, und Peter verließ mich. Ich liebte ihn so sehr, dass ich die Wahrheit nicht sehen wollte, bis mir schließlich bewusst wurde, dass ich als mannstoll verschrien würde, wenn ich ihm noch länger nachliefe.
    Die Jahre gingen vorbei, Peter verkehrte mit Mädchen seines eigenen Alters und dachte nicht mehr daran, mich zu grüßen. Ich kam ins Jüdische Lyzeum, und viele Jungen aus unserer Klasse verliebten sich in mich. Ich fand das schön, fühlte mich geschmeichelt, aber es berührte mich nicht weiter. Noch später war Hello verrückt nach mir, aber wie gesagt, ich habe mich nie mehr verliebt.
    Es gibt ein Sprichwort: »Die Zeit heilt alle Wunden.« So ging es auch bei mir. Ich bildete mir ein, dass ich Peter vergessen hätte und ihn überhaupt nicht mehr nett fände. Die Erinnerung an ihn lebte jedoch so stark fort, dass ich mir manchmal eingestand, dass ich eifersüchtig auf die anderen Mädchen war und ihn deshalb nicht mehr nett fand. Heute Morgen habe ich gemerkt, dass sich nichts geändert hat. Im Gegenteil, während ich älter und reifer wurde, wuchs meine Liebe in mir mit. Jetzt kann ich verstehen, dass Peter mich damals zu kindlich fand, und doch tat es mir weh, dass er mich so schnell vergessen hatte. Ich habe sein Gesicht so deutlich vor mir gesehen und weiß jetzt, dass niemand anders so fest in mir verhaftet bleiben kann.
    Heute bin ich dann auch völlig verwirrt. Als Vater mir heute Morgen einen Kuss gab, hätte ich am liebsten geschrien: »Oh, wärest du bloß Peter!« Bei allem denke ich an ihn und wiederhole den ganzen Tag heimlich für mich: »O Petel, lieber, lieber Petel …«
    Was kann mir helfen? Ich muss einfach weiterleben und Gott bitten, dass er mir, wenn ich hier rauskomme, Peter über den Weg führt und der in meinen Augen meine Gefühle liest und sagt: »O Anne, wenn ich das gewusst hätte, wäre ich schon längst zu dir gekommen.«
    Vater sagte einmal zu mir, als wir über Sexualität sprachen, dass ich dieses Verlangen noch nicht verstehen könnte. Ich wusste aber immer, dass ich es verstand, und nun verstehe ich es ganz. Nichts ist mir so teuer wie er, mein Petel.

    Ich habe im Spiegel mein Gesicht gesehen, und das sieht so anders aus als sonst. Meine Augen sind so klar und tief, meine Wangen sind, was seit Wochen nicht der Fall war, rosig gefärbt, mein Mund ist viel weicher. Ich sehe aus, als wäre ich glücklich, und doch ist so etwas Trauriges in meinem Ausdruck, das Lächeln verschwindet sofort wieder von meinen Lippen. Ich bin nicht glücklich, denn ich kann mir denken, dass Petels Gedanken nicht bei mir sind. Und doch, ich fühle immer wieder seine Augen auf mich gerichtet und seine kühle, weiche Wange an meiner …
    O Petel, Petel, wie komme ich wieder von deinem Bild los? Ist jeder andere an deiner Stelle nicht ein armseliger Ersatz? Ich liebe dich so sehr, dass die Liebe nicht länger in meinem Herzen wachsen konnte, sondern zum Vorschein kommen musste und sich mir plötzlich in so gewaltigem Umfang offenbarte.
    Vor einer Woche, noch vor einem Tag, würde ich, wenn du mich gefragt hättest: Welchen von deinen Bekannten findest du am besten geeignet, um ihn zu heiraten?, geantwortet haben: »Sally, denn bei ihm ist es gut, ruhig und sicher.« Jetzt würde ich schreien: »Petel, denn ihn liebe ich mit meinem ganzen Herzen, mit meiner ganzen Seele in vollkommener Hingabe!« Außer einem – er darf mich nur im Gesicht berühren, weiter nicht.
    In Gedanken saß ich heute Morgen mit Petel auf dem vorderen Dachboden, auf dem Holz vor dem Fenster, und nach einem kurzen Gespräch fingen wir beide an zu weinen. Und später fühlte ich seinen Mund und seine herrliche Wange! O Petel, komm zu mir, denke an mich, mein lieber Petel!

Mittwoch, 12. Januar 1944
    Liebe Kitty!
    Seit vierzehn Tagen ist Bep nun wieder bei uns, obwohl ihre Schwester erst nächste Woche wieder zur Schule darf. Sie selbst lag zwei Tage mit einer heftigen Erkältung im Bett. Auch Miep und Jan konnten zwei Tage nicht kommen, sie hatten sich den Magen verdorben.
    Ich habe im Augenblick Tanz- und Ballettanwandlungen und übe jeden Abend fleißig. Aus einem helllila Spitzenunterrock von Mansa habe ich mir ein hypermodernes Tanzkleid hergestellt. Oben ist

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