Tagebücher der Henker von Paris
Beichte erhalten. Es kostet Ihnen nur noch eine letzte Anstrengung, um den Himmel zu gewinnen. Noch eine Handlung der Reue, und Sie werden den Gott der unendlichen Barmherzigkeit zum Erbarmen bewegen.«
»Ich werde in den Himmel kommen, so gut wie Sie, wenn es einen gibt; aber ich bitte darum, sputen Sie sich! Dort wartet man auf mich!«
Dabei zeigte er auf das Schafott.
»Mein liebes Kind, ich beschwöre Sie,« hob der Abbé Montès mit Salbung an, »denken Sie in diesem kurzen und entscheidenden Augenblick an das Heil Ihrer Seele, bekennen Sie Ihre Reue, Gott erzürnt zu haben.«
»Ich habe Ihnen bereits vieles zu Gefallen getan,« entgegnete er mit gesteigerter Ungeduld; »muß ich auch noch gestehen, daß es mir jetzt leid tut, so mögen Sie dies hinnehmen.«
Als der ehrwürdige Geistliche sah, daß er nicht mehr erlangen konnte, entschloß er sich, die Absolution zu erteilen. Nachdem er ihm die Hand aufgelegt hatte, wollte er ihn ein Kruzifix, das er in der Hand hielt, küssen lassen. Louvel zog hastig den Kopf zurück, und seine Augen funkelten vor Zorn, daß die Menge vielleicht glauben könnte, er verstände sich zu diesem Zeichen der Frömmigkeit.
»Niemals! Niemals!« rief er zweimal mit schallender Stimme.
Mit festem und schnellem Schritt stieg er das Schafott hinauf, daß ihn die Gehilfen zurückhalten mußten, um ihm folgen zu können. Er legte sich selber auf das Brett. Vergeblich warteten wir auf die mit dem Abbé verabredeten Worte:
»Mein Gott, ich befehle meine Seele in deine Hände!«
Louvel wollte dem alten Priester, der ihn begleitet hatte, nicht den Trost gewähren, eine verirrte Seele mit dem Herrn versöhnt zu haben.
Der erste Glockenschlag der Uhr vom Stadthause, welche sechs schlug, mischte sich mit dem Geräusch des verhängnisvollen Messers; der Kopf des Schuldigen war gefallen.
Wir brachten darauf seine blutenden Überreste nach dem Kirchhof der Barrière du Maine, wo wir sie in Gegenwart vieler Neugierigen in die gemeinsame Grube legten. Als sich aber die Menge zerstreut hatte, langte ein Befehl des Polizeipräfekten an, den Leichnam Louvels wieder auszugraben und sofort an einem anderen, niemandem bekannten Orte zu beerdigen. Das Geheimnis dieses zweiten Begräbnisses wurde nur dem Scharfrichter und seinen Gehilfen bekannt, welche diesmal als Totengräber tätig sein mußten.
Die Verschwörung der Carbonari
Bories.
Am 21. September 1823 berief uns eine traurige Pflicht wieder nach der Conciergerie und auf den Grèveplatz. Es handelte sich dieses Mal nicht mehr um gewöhnliche Missetäter, um Menschen, welche durch die gemeinen Leidenschaften, die das menschliche Geschlecht schänden, zu Verbrechen getrieben worden waren; es handelte sich um vier unglückliche junge Leute, die dem politischen Fanatismus und den geheimen Schlichen einer während der ganzen Dauer der Restauration im Dunkeln wirksamen Partei zum Opfer gefallen waren. Es handelte sich darum, den Thron der Bourbons zu untergraben. Es ist hier nicht der Ort, eine Geschichte jener geheimnisvollen Verbindung des Karbonarismus zu geben, welche von Italien eingeführt war, in ihrem Schoße Fürsten zählte und es doch nicht verschmähte, auch den schlichtesten Bürger und den bescheidensten Handwerker aufzunehmen, sich sogar aus den Bauernhütten zu rekrutieren. Die Aufnahme wurde massenhaft vollzogen, aber die Gefahr dieser unaufhörlichen Propaganda wurde durch die Organisation und die Art der Vereinigung vermindert, indem die Gesellschaft sich in kleine Gruppen, in sogenannte besondere Ventas teilte und nur durch ein verborgenes Band mit den Zentralventas in Verbindung stand. Letztere waren selber nur durch verborgene Mittel mit den oberen Ventas verknüpft; so bildete die ganze Organisation eine ungeheure Kette, von welcher man wohl eines Ringes, aber unmöglich des Ganzen habhaft werden konnte.
Mit Hilfe einer solchen Vorsicht, welche ihnen bei jeder Wendung der Sache Straflosigkeit verbürgte, stellten sich Männer von Ansehen an die Spitze einer tätigen und beständigen Verschwörung, deren erste Handstreiche zu weiter nichts führten, als daß das Blut unbedeutender Mitschuldiger vergossen wurde, die für jene berühmten Häuptlinge starben, ohne nur den Trost zu haben, sie zu kennen. Jene angesehenen Männer waren die Koryphäen der sogenannten liberalen Partei, wie Lafayette, Dupont (de l'Eure), Manuel, Voyer d'Argenson, Benjamin Constant, Foy, Laffitte und andere, welche, nicht zufrieden mit der Aufregung,
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