Tagebücher der Henker von Paris
gewesen sein.«
Man bot ihm die Tröstungen der Religion.
»Weshalb das?« entgegnete er spöttisch; »um in das Paradies zu kommen? Ich könnte am Ende dort den Herzog von Enghien finden, der ebenfalls die Waffen gegen Frankreich geführt und den verdienten Lohn erhalten hat; wir würden uns niemals vertragen.«
Nichtsdestoweniger gelang es dem Abbé Montès, zugelassen zu werden. Seine Güte und Sanftmut rührten ein wenig den wilden Sinn des Verurteilten. Nur um dem würdigen Priester nicht zu viel Mühe zu verursachen, verstand er sich zu einer vorgeblichen Beichte.
Was uns, die letzten handelnden Personen in allen diesen Dramen, betrifft, so empfingen wir am 6. Juni, um neun Uhr abends, nur wenige Stunden nach dem gefällten Urteil, den Befehl vom königlichen Staatsanwalt beim Pairshofe, uns am folgenden Tage, dem 7., in die Conciergerie zu verfügen um dort um fünf Uhr abends Louis Pierre Louvel in Empfang zu nehmen, ihn nach dem Grèveplatz zu führen und die Todesstrafe, zu welcher er durch das Urteil des Gerichtshofes von demselben Tage verurteilt, zu vollziehen.
Wir warteten anderthalb Stunden in dem Gefängnis. In dem Augenblick, als man Louvel holte, um ihn zuzurüsten, bemerkte mein Vater, daß der Pairshof keinen Gerichtsschreiber geschickt hatte, um ein Protokoll über die Hinrichtung aufzunehmen. Man mußte noch eine Viertelstunde warten, bis ein Beamter, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere, vom königlichen Gerichtshofe anlangte, um diese traurige Aufgabe zu übernehmen.
Endlich, um dreiviertel auf sechs Uhr, führte man Louvel herbei; ein Gehilfe band ihm die Hände, ein anderer die Füße, ein drittel schnitt ihm das Haar und den Hemdkragen ab. Während dieser Zeit dankte er dem Portier des Gerichtsgebäudes, Blanchard und seiner Frau, für die Güte, die sie ihm während seiner Gefangenschaft erzeigt hatten.
Louvel war damals, wie er erklärt hatte, sechsunddreißig Jahre alt und von mittlerem Wuchs. Seine flache Stirn, seine düsteren und tiefliegenden Augen, sein fast kahler Schädel, eine strengen und winkligen Züge, seine dünnen und schmalen Lippen verliehen ihm ein abstoßendes Äußere.
Als die verhängnisvolle Zurüstung beendet war, bat er um seinen Hut, indem er seine Kahlköpfigkeit vorschützte. Da ihm bereits die Hände gebunden waren, so gab ich einem Gehilfen das Zeichen, ihm den Hut auf den Kopf zu setzen.
Wir fuhren in der Ordnung ab, die ich bereits bei Foulard angenommen hatte, das heißt, mein Vater und ich saßen vorn, der Delinquent und der Abbé Montès hinten. Ich weiß nicht, weshalb ich beständig den Gedanken hegte, diese Hinrichtung würde nicht stattfinden; ich glaubte, die königliche Familie würde den letzten Willen des gemordeten Prinzen erfüllen, eine hohe Fürsprache würde sich des Verurteilten annehmen, politische Rücksichten vollends würden dazu beitragen, in dieser beklagenswerten Angelegenheit Gnade walten zu lassen. Ein unwillkürlicher Antrieb bewog mich stets, unseren unglücklichen Opfern noch eine Frist zu verschaffen, während welcher die Verhältnisse sich zu ihren Gunsten wenden könnten. In diesem Augenblick blieb dem Unglücklichen, den wir zum Richtplatz führten, kein anderer Weg offen, dem bestimmten Tode zu entgehen, als Geständnisse abzulegen. Ich konnte nicht umhin, zu meinem Vater so laut, daß Louvel es hörte, zu sagen:
»Wenn er Mitschuldige hat, so müßte er es jetzt erklären, und die Hinrichtung würde aufgeschoben.«
Der Abbé Montès ergriff diese Worte.
»Sie hören es, mein Freund,« sagte er; »wenn Sie noch Mitschuldige haben, so erleichtern Sie Ihr Herz und nennen Sie jene! Gott und vielleicht die Menschen selber würden Ihnen diesen letzten Dienst, den Sie der Wahrheit leisten, anrechnen.«
Er antwortete in trockenem Tone und mit einer ungeduldigen Gebärde:
»Ich habe schon gesagt, daß ich keine habe.«
Während dieser Zeit fuhr der Karren weiter, und Louvel, der den Kopf nach beiden Seiten wendete, warf Blicke der Verachtung auf die versammelte Menge.
Wir kamen am Fuße des Schafotts an. Der Verurteilte schickte sich an, die ersten Stufen zu besteigen, als der Abbé Montès ihn sanft am Arm zurückhielt und sagte:
»Knien Sie nieder, mein Sohn, und bitten Sie Gott um Verzeihung für Ihr begangenes Verbrechen.«
»Niemals!« antwortete er in hochmütigem Tone. »Ich fühle keine Reue über das, was ich getan habe, und ich würde es noch einmal tun.«
»Und doch, mein Freund, habe ich Ihre
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