Tagebücher der Henker von Paris
dem Kopfe.
Margarita, meine geliebte Margarita lag auf dem Lederbette ausgestreckt, das dazu dient, die peinliche Frage zu stellen; ihr Henker von Vater, der eher einem Tiger als einem Menschen glich, hatte ihr den spanischen Stiefel angelegt. [3] Mit seiner eigenen Vaterhand trieb er vermittelst eines hölzernen Schlägels den Keil ein, der ganz vom Blute seines Kindes gerötet war, und bei jedem Schlage sagte er in wütendem Zorne zu ihr: »Gestehe, gestehe!« – und die Arme rief, sich in Tränen und mit Angstgeschrei zurückwerfend, alle Heiligen des Paradieses und Gott zum Zeugen ihrer Unschuld an.
Ich sah dieser Grausamkeit kaum eine halbe Minute zu, denn ich hatte schon einen Balken aufgerafft, der am Boden lag, und mit einem einzigen Stoße, denn Gott hatte mir eine Kraft verliehen, die ich nie an mir gekannt hatte, zertrümmerte ich die Tür, wie es eine Artilleriepetarde getan haben würde.
Als Meister Jouanne mich erkannte, warf er den hölzernen Hammer von sich, und nachdem er das große Schwert gezogen hatte, das ihm dazu diente, die Edelleute zu enthaupten, bedrohte er mich nicht etwa, sondern schwang es um den Kopf seiner Tochter und tat einen schrecklichen Schwur, daß, wenn ich nur Miene mache, ihr zu helfen, er sofort dieses Haupt von dem Halse, der es trug, abschlagen werde.
Ich fiel schreiend und stöhnend auf die Knie, wie gleichzeitig die arme Margarita schrie und stöhnte. Meister Jouanne fragte mich nun, weshalb ich zu ihm käme und ob ich ihm den Namen des Verführers brächte, den er vergeblich von seiner Tochter durch die Tortur zu erzwingen versucht habe. Da gestand ich ihm meinen Fehler und bewies ihm, daß ich allein der Schuldige sei, nicht sein heiliges, tugendhaftes Kind.
Als der wilde und so grausame Meister Jouanne dies gehört hatte, warf er sich vor dem Torturbette, in Tränen ausbrechend, nieder; er nahm den spanischen Stiefel vom Beine seiner Tochter ab und, dieses ganz blaue und zerquetschte Bein zärtlich in seine Hände nehmend, küßte er die Wunden und verband die zerrissenen Stellen, wobei er sie mit so schmerzlicher Bewegung um Verzeihung anflehte, daß seine Verzweiflung einem Felsen Tränen hätte entlocken können. Dann klagte er laut über das schändliche Benehmen elender Menschen auf dieser Welt und sagte, Gott hätte alle armen Mädchen häßlich und abschreckend erschaffen sollen, weil Tugend und Keuschheit sie nicht vor den Begierden der Edlen und Mächtigen schützten.
Ich trat näher und teilte ihm meinen Plan mit, mein Vaterland zu verlassen; ich erklärte ihm, daß ich Margarita gern als meine Gattin mit mir nehmen wolle.
Meister Jouanne zeigte sich bewegter, als ich ihn je gesehen hatte, aber er blieb fest, und sich zu seiner Tochter wendend, sagte er, daß sie die Antwort zu erteilen habe. Sofort ergriff das junge Mädchen seine Hände, die sie so hart angegriffen und mit Blut bedeckt hatten, küßte sie und erwiderte, daß sie ihren Vater, der nur sie allein als Trost und Stütze in seinem einsamen Leben habe, nicht verlassen wolle, wenn ich ihr auch den Thron Indiens, wohin ich sie führen wolle, anbieten könnte.
Meister Jouanne umarmte seine Tochter sehr innig und zeigte mir die Tür, wobei er rief, er sei Henker, aber nicht Mörder, er wolle mich an diesem Tage nicht töten, aber ich möge mich hüten, in der Stadt oder Umgegend wieder zu erscheinen, wenn mir mein Leben lieb sei.
So ging ich denn gesenkten Kopfes und mit zerrissenem Herzen; als mein Fuß die Schwelle der Tür berührte, hörte ich hinter mir lautes Schluchzen, und als ich mich umdrehte, sah ich Margarita ohnmächtig in den Armen ihres Vaters.
Ich eilte zu ihr. Meister Jouanne stieß mich sehr roh zurück. Als ich nun an der Verzweiflung des Mädchens sah, daß ihre Seele ebenso bekümmert über diese Trennung war wie die meinige, und als ich erkannte, daß sie mich ebenso liebte wie ich sie, konnte mich nichts mehr bestimmen, fortzugehen. Ich bat daher den Vater, mir Margarita zur Frau zu geben, und sagte, daß wir alle drei in irgendeine ferne Gegend, wo wir unbekannt leben könnten, ziehen wollten.
Aber dieser Vorschlag sagte ihm ebensowenig zu wie die früheren. Er antwortete mir, daß dieser späte Wechsel seines Handwerks seinen Schwiegersohn nicht abhalten werde, ihn zu verachten und diese Verachtung auch auf sein Kind zu übertragen, daß dieses, da es zu seinen Gunsten auf den eigenen freien Willen verzichtet habe, nur dann mein werden könne, wenn meine Liebe stark
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