Tagebücher der Henker von Paris
ewig schmerzlich bedauern, daß ich Ihnen wider Willen eine so grausame Betrübnis bereitet habe. Aber hören Sie auf – ich bitte Sie darum – mir von Belohnung zu sprechen. Weder mein Stand noch mein Charakter erlauben mir, eine solche anzunehmen, und so etwas kann nie auf meine Handlungsweise einwirken.«
Die Marquise betrachtete ihn ganz erstaunt.
»Wie kann man doch von euch sagen, daß ihr Blutmenschen seid und daß nur Gewinnsucht euren Arm bewaffne und euch treibe, euresgleichen abzuschlachten? – Adieu, Meister; ich halte mich an Ihr Versprechen: wenn Herrn von Horn im letzten Augenblick Hilfe kommen sollte, so werden Sie Gott die Gerechtigkeit überlassen – sie ist wohl mehr wert als die des Königs oder vielmehr des Regenten.«
Die Marquise wollte gehen; plötzlich aber blieb sie, wie von einer schmerzlichen Ahnung bewegt, stehen und sagte zu Charles Sanson mit unbeschreiblichem Schauder:
»Wenn meine Hoffnungen dennoch getäuscht werden sollten, wenn unter allen den Edlen, die sich für dieses Kind von ihrem Blut interessieren, keiner geschickt genug sein sollte, seine Kerkermeister durch Gold zu bestechen, oder so tapfer, es mit den Waffen in der Hand zu befreien, wenn die schändliche Polizei Dubois' alle zu seiner Rettung genommenen Maßregeln vereiteln sollte, wenn es nötig würde, daß das Blut unschuldigen Opfers Ihr Schwert rötete – oh, dann versprechen Sie mir, daß Sie ihm meinen Namen in das Ohr flüstern wollen, ehe er vor Gott erscheint. Sagen Sie ihm, daß ich gekommen sei, daß ich bis zum letzten Augenblick für ihn gebeten, daß ich alles zu seiner Rettung getan hätte und daß ich, wenn er stirbt, mich nie trösten würde.«
Die Marquise brach in Schluchzen aus.
»Madame,« erwiderte mein Ahne, »Ihre Wünsche sollen treu erfüllt werden, und wenn es Gott gefallen sollte, daß der Herr Graf von Horn durch diese Hand umkäme, so würde letztere sich bemühen, ihm die Angst der letzten Augenblicke abzukürzen, und Ihnen auch ein Andenken von ihm zustellen.«
»O Dank! Dank!« rief Madame Parabere und eilte, ganz außer sich, davon.
Einen Augenblick später hörte man das Rollen ihrer Kutsche in der Rue d'Enfer, und Charles Sanson setzte seinen so traurig unterbrochenen Spaziergang unter den großen Bäumen des Gartens fort.
Der Graf von Horn
Das Bittgesuch; Herr von Créquy; die Hinrichtung.
Der Graf Anton Joseph von Horn, von dem soeben die Rede gewesen, war mit einem hohen fürstlichen Hause verwandt und mit dem vornehmsten Adel Europas verbunden. Es erregte daher in jener Zeit das größte Erstaunen, als man hörte, er sei unter der doppelten Anschuldigung des Mordes und des Diebstahls verhaftet und in die Conciergerie gebracht worden.
Der Mord hatte in einem Wirtshause der Straße Quincampoir stattgefunden, wo der Graf von Horn und seine Genossen einem Juden ein Rendezvous unter dem Vorwand, daß sie ihm seine Aktien abkaufen wollten, in der Tat aber, um ihn zu berauben, gegeben haben sollten. Nach der Anklage sollte der Graf von Horn den ersten Schlag auf den Juden geführt haben, worauf der Chevalier de Milhe und der dritte Gehilfe den Mord zu Ende geführt und sich der Brieftasche bemächtigt hätten.
Diese Begebenheit machte in Paris ein ungeheures Aufsehen, sowohl wegen des hohen Ranges des Angeschuldigten als wegen der Verwandtschaftsbande und anderen Beziehungen, die ihn mit den angesehensten Personen verknüpften. Dessenungeachtet wurde der Prozeß mit einer fast beispiellosen Schnelligkeit geführt, und es scheint, daß alle zur Rettung dieses unglücklichen jungen Mannes getanen Schritte sein Verderben im Gegenteil nur beschleunigten.
Sobald die Verwandten des Grafen von Horn seine Einkerkerung in die Conciergerie erfahren hatten, regten sie sich von allen Seiten. Am Tage vor dem Urteilsspruche hatten sie sich, siebenundfünfzig Personen stark, nach dem Justizpalaste begeben und in einem Korridor die Mitglieder des Gerichtshofes erwartet, um sie im Vorübergehen zu grüßen, was eine indirekte Manier war, ihnen den Angeklagten zu empfehlen. Diese Kundgebung, die um so imposanter war, als man unter der großen Zahl der Teilnehmer die größten Namen Frankreichs fand, blieb vollständig erfolglos; der Gerichtshof erließ ein Urteil, wonach der Graf von Horn, der Chevalier de Milhe und der dritte Schuldige
in contumaciam
verurteilt wurden, lebendig gerädert und dann bis zu erfolgendem Tode auf das Rad geflochten zu werden. Dieser Spruch versetzte die
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