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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Geistliche konnte der Tortur nicht beiwohnen; er sagte also Damiens, daß er ihn, für ihn betend, in der Kapelle der Conciergerie erwarten werde.
    Der Koch, der Damiens bedient hatte, näherte sich ihm und bot ihm Lebensmittel an; Damiens zögerte einen Augenblick, betrachtete mit Aufmerksamkeit, was auf dem Präsentierbrette stand, und sagte dann, den Kopf schüttelnd:
    »Wozu das? Gebt es den armen Leuten, dann ist es wenigstens zu etwas gut.«
    Als man ihm bemerklich machte, daß er an diesem schrecklichen Tage aller seiner Kräfte bedürfen werde, erwiderte er in einem Tone, der sich schlecht mit seinem Worten vertrug:
    »Meine Stärke ist in Gott! Meine Stärke ist in Gott!«
    Man überredete ihn indessen, ein wenig Wein zu trinken. Der Koch füllte einen Becher, kostete und reichte ihn Damiens, der ihn an seine Lippen brachte, aber nicht mehr als einen Schluck davon zu trinken vermochte.
    Die Memoiren behaupten, er habe gerufen, dieser Wein sei bitter. Ihren verleumderischen Absichten getreu, geben sie zu verstehen, der Gerichtshof habe diesem Weine einen Zusatz gegeben, der große Unruhe hervorrufen sollte, um sich an Damiens für seine Festigkeit zu rächen.
    Nichts ist falscher.
    Bei Damiens trat der Zufall ein, den ich selbst im ersten Teile meiner unseligen Laufbahn bei den entschlossensten Verurteilten bemerkt habe: eine Angst, der sich wenige entziehen können, wie ein Zusammenziehen der Halsmuskeln; das Schlucken wird fast ganz unmöglich, und der Delinquent macht vergebliche Anstrengungen, selbst den Speichel hinabzuschlucken.
    Man legte Damiens wieder in seine Hängematte und trug ihn in die Torturkammer, wo sich schon die Kommissarien, die Herren Präsidenten Maupeou und Molé sowie die Räte Severt, Pasquier, Rolland und Lambelin befanden.
    Er leistete den gewöhnlichen Schwur, die Wahrheit sagen zu wollen, und mußte ein letztes Verhör bestehen. Dieses dauerte anderthalb Stunden. Er antwortete mit ziemlicher Ruhe auf die Fragen, die Herr Pasquier an ihn richtete, aber in der Zeit, die hin und wieder zwischen zwei Fragen verging, legte er Zeichen einer außerordentlichen Bewegung an den Tag. Er bewegte sich unruhig auf seiner Bank, seine Augen rollten unstät in ihren Höhlen, und er versuchte fortwährend sich nach der Seite hinzuwenden, wohin sich die Scharfrichter und ihre Gehilfen zurückgezogen hatten.
    Endlich erhoben sich die Kommissarien und kündigten ihm an, daß er der peinlichen Frage unterworfen werden würde, da er nichts gestanden habe.
    Die Henker umringten ihn, und der Torturmeister des Parlaments legte ihm die spanischen Stiefel an, deren Schnüre er mit mehr Kraft, als man gewöhnlich dazu gebrauchte, anzog.
    Der Schmerz mußte entsetzlich sein, denn Damiens stieß ein furchtbares Geschrei aus; sein Gesicht wurde bleich, sein Kopf sank hinten über und er schien ohnmächtig werden zu wollen.
    Die Ärzte traten heran, fühlten ihm den Puls und erklärten, daß diese Anwandlung von Schwäche nicht ernster Natur sei. Einer von ihnen, Herr Boyer, riet, mit dem Eintreiben der Keile zu warten, um der Erstarrung der Glieder, welche die Einschnürung hervorgerufen hatte, Zeit zu lassen, vorüberzugehen.
    Damiens öffnete die Augen wieder und verlangte zu trinken; man brachte ihm ein Glas Wasser, aber er verlangte Wein, da, wie er mit keuchender und zitternder Stimme sagte, seine Kraft zu schwinden drohe.
    Charles Henri Sanson half ihm, das Glas an die Lippen zu bringen; als er getrunken hatte, stieß er einen tiefen Seufzer aus, schloß die Augen wieder und murmelte einige Gebete. Der Greffier, die beiden Huissiers, die Henker und ihre Knechte umgaben ihn; zwei der Richter hatten ihre Sessel verlassen und gingen im Zimmer umher. Der Präsident Molé war sehr blaß, und man sah die Feder zittern, die er in der Hand hielt.
    Nach Verlauf einer halben Stunde wurde die Tortur fortgesetzt.
    Der Torturmeister Fremy schlug den ersten Keil ein.
    Das Geschrei Damiens' begann von neuem; es war so laut und anhaltend, daß der erste Präsident nicht dazu kommen konnte, die gebräuchlichen Fragen an ihn zu richten. Endlich klagte er unter Geheul, Flehen und Gebeten, die wild durcheinander aus seinem Munde kamen, einen gewissen Gautier, den Kommissionär eines Parlamentsrates, und Herrn Lemaitre de Ferrière an, ihn zu dem begangenen Verbrechen verleitet zu haben.
    Es wurde sogleich der Befehl erteilt, sowohl Gautier als Herrn Lemaitre de Ferrière zu arretieren und vor die Richter zu führen.
    Beim

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